Marlene

marleneMarlene. Eine autobiographische Erzählung.

„Du darfst absolut niemandem sagen, wo ich bin!“ Marlene fixiert Nadine mit ihrem Blick.

Ich nicke, auch wenn ich jetzt schon davor Angst habe, ihrer Mutter zu begegnen, und entziehe mich ihren Augen. Das zerdepperte Sparschwein liegt auf dem Boden. Ich hatte es ihr vor Jahren zum Geburtstag geschenkt. Marlene fischt zwischen der zerbrochenen Keramik Münzen und Scheine heraus.

„Mist“, schimpft sie. Sie hat sich geschnitten. Fluchend rennt sie ins Bad. Ich trenne die Scherben vorsichtig von dem Geld. Zwei Häufchen entstehen. Marlene hat eine Zeit lang Zwanzig-Cent-Stücke gesammelt, die blitzblank aus der Prägung kamen. Und neue Fünf-Euro-Scheine. Die einmal in der Mitte gefalteten Fünfer sehen immer noch aus wie Spielzeuggeld, das Hartgeld glitzert nicht mehr. Heute Abend wird der Schatz geopfert. Ob das Geld für eine Fahrkarte nach Münster reicht?

„Ich habe noch 50 Euro“, rufe ich durch die Wohnung, „du kannst sie haben. Wer weiß, ob du es gleich findest. Vielleicht musst du ein Taxi nehmen.“

„Nein, verdammte Scheiße“, höre ich Marlene schimpfen. Dass sie mein Geld nicht will, hätte sie mir auch anders sagen können. Ich laufe zu ihr. Blut ist auf den weißen Wuschelteppich getropft, der vor dem Waschbecken liegt. Ich wickel ein Pflaster aus und klebe es meiner Freundin um den Finger. Marlene weiterlesen