Petra

Vor sechs Wochen hatten wir auf der Terrasse unseres Vaters gesessen. Ich erzählte aus meinen Erinnerungen, wie wir Schwestern immer zusammen in die Wanne mussten. Es gab nur ein Handtuch. Petra fand immer wieder einen Dreh, dass sie zuerst aussteigen durfte und damit das Handtuch im trockenen Zustand bekam. Sie schaute mich an: Daran konnte sie sich partout nicht mehr erinnern. Kein Wunder, dachte ich. Sie, die ewige Siegerin unserer kindlichen Wettspiele, hatte damals viele zu viele Triumphe eingefahren, als dass ihr dieser in Erinnerung hätte bleiben können.

Mir fallen jetzt so viele Geschichten wieder ein. Da war die Sache mit den Tampons: So fragte ich sie einmal, da war ich neun oder zehn Jahre alt, ob die 10er-Packung “o.b.”, die sie hinter der Toilette liegen hatte, für zehn Monate reichen würde. Sie lachte mich natürlich aus. Unvergessen auch, wie sie mich das erste Mal einen Joint mitrauchen ließ. Da saßen wir auf ihrem großen Bett, eine Gitarre und mehrere Kerzenhalter hingen an der Wand, die Vorhänge waren zugezogen. Als ich anfing herumzukichern, beömmelten ihre Freundin Assi und sie sich aufs Feinste. Und als sie ein Mofa bekam, durfte ich mich auch mal drauf setzen, gab Gas  – und landete in der Hecke.

Warum haben wir uns nicht öfter über unsere Kinderzeit ausgetauscht? Wir hatten Jahrzehnte dafür Zeit und haben sie uns viel zu selten genommen. Jetzt habe ich keine Möglichkeit mehr. Meine große Schwester ist tot. Petra weiterlesen