Eine Homestory vom Aufräumen

img_7914Das vorletzte Biotop in meinem Haushalt ist mein Kabuff. Das liegt nicht unbedingt an den Dingen, die dort lagern, sondern an mangelnder Lust, einzugreifen. Es gibt dort Objekte, die fasse ich höchstens einmal im Jahr oder seltener an. Andere nutze ich regelmäßig. Doch ob häufig genutzt oder nicht: Es werden immer mehr.

Die gewachsene Ordnung im Kabuff hängt natürlich eng mit meinem Nutzungsverhalten zusammen: Schraubendreher, Nägel, Staubsaugerbeutel, Aluminiumfolie, Bohrer, Verlängerungsschnüre und Vorratsdosen mit Hülsenfrüchten stehen griffbereit vorne im Regal. Silikonentfereer, Friteuse, Raclettegeschirr, Fonduetopf, Spachtel, Tortentransporthülle und der Hobel halten sich ganz oben und weit hinten auf.

Es gibt auch eine kleine quadratische Kiste auf Rollen. In ihr bewahrten die Kinder früher einmal Spielzeug auf. Heute ist sie ein Biotop im Biotop. Es liegen Hämmer, Luftpumpen, Steckdosen, Türschlösser, Lappen, Wäscheklammern kreuz und quer, ineinander verschlungen, verknotet und verkantet darin. Manches landete auch deswegen in ihr, weil es runter- und direkt hineingefallen war – meistens in den Momenten, in denen ich anderes, was weit hinten lagerte, hervorgeholt habe.

Außerdem stehen auf dem Boden ein Hackenporsche, Satteltaschen, eine Altpapierkiste, der Staubsauger. An den Wänden hängen Bügelbrett, Leiter, Besen und Schrubber in Halterungen. Das Kabuff umfasst ca. zwei Quadratmeter. Man könnte wertfrei sagen: Es ist gut gefüllt. Abfällig könnte man behaupten: Es ist eine Rumpelkammer. Positiv könnte man bemerken: Für die nahezu drei Jahrzehnte, die wir in der Wohnung leben, geht das klar. Fakt ist: Es hat sich im Laufe der Zeit ein Verteilungschaos eingestellt.

Ich bin träge, was das Kabuff betrifft. Denn wenn seine Tür geschlossen ist, ist die Wohnung herrlich schön und ich vergesse das Stillleben. Ich kann durch die anderen Zimmer schreiten, ohne dass mich Geschlampe erschüttert. Dennoch: Die Dinge im Kabuff drücken immer schwerer, sodass ich mich andauernd zentnerschwer fühle. Nach jedem Blick ins Kabuff hängen die Schultern, mein Blick sinkt. Ich glaube zudem, es hat sich in den hintersten Ecken Leben entwickelt. Was den Tatsachen entspricht, weil unsere Wohnungsspinnen dort selbst vor der Katze sicher sind. Ab und an, wenn ich mal wieder die Leiter besteige, etwa um den Topf  weißer Farbe hervorzukramen, um einen Schmutzfleck an der Wand im Flur zu überpinseln, erblicke ich die bleichen Überreste verstorbener Arachnida, die an ihren gesponnenen Fäden von der Decke baumeln. Aber selbst das ficht mich nicht mehr an. Ich kenne die Begrenztheit des Kabuffs und meine ebenfalls begrenzten Möglichkeiten, Ordnung darin halten zu wollen.

Eigentlich. Denn eigentlich nervt es mich seit langem. Und weil mal wieder ein neues Jahr begonnen hat, ein Zeitpunkt, zu dem ich gern renoviere und mich von Ballast befreie, und weil vom Weihnachtsgeld noch etwas übrig ist, beschließe ich, Ordnung im Kabuff herbeizuführen! Da kracht es laut im kleinsten Raum meines Zuhauses. Die Dinge, Sache, Objekte und Gegenstände kündigen offenbar geräuschvoll ihren kollektiven Widerstand an. Sie haben meinen Entschluss offenbar gespürt! Sie drohen sogar, das Volk der Spinnen zu mobilisieren, mit denen sie seit fast drei Jahrzehnten in Koexistenz leben.

Doch es ist nur die Leiter, die von Haken gerutscht ist und einen metallenen Dreierkorb mitgerissen hat, in dem Wäscheklammern, Teelichter, ein Silberputztuch und drei Fusselroller lagerten. Die drei Weinflaschen, die ich im letzten Jahr geschenkt bekommen habe, und die direkt daneben standen, wackeln noch, als ich die Tür vorsichtig öffne, das Licht einschalte, einen Schritt nach vorne setze und hineinschaue. Dabei rutscht der Besen von der Wand – wie fast jedes Mal, wenn ich nach dem Lichtschalter greife, denn der Stiel hängt genau darüber. Er landet auf meinem Fuß.

Schluss damit. Ende. Aus. Vorbei. Finito. Ich bespreche meinen Plan mit meinem geliebten Mitbewohner, dem schon lange kein gutes Wort mehr zur Abstellkammer eingefallen ist, sie nur noch selten betritt (Hahaha, betreten – wie denn?) und vor längerem ein neues Regalsystem vorschlagen hat. Unser gemeinsamer Sohn, der seine Semesterferien bei uns verbringt, ist bereit, uns in ein Möbelhaus zu fahren und den Einkauf mit dem Auto zu transportieren – eine richtige Wahl hatte er eigentlich nicht. Ich verspreche ihm trotzdem, mit ihm zum Dank Burger essen zu gehen, denn ich kenne den Hunger eines Studierenden, wenn er nachmittags um vier Uhr endlich aufgestanden ist.

Das neue Regal wird von meinem geliebten Mitbewohner aufgebaut. Ich räume währenddessen das Kabuff aus. Die Dinge, Gegenstände, Sachen und Objekte leisten keinen Widerstand. Die Mülltüten füllen sich, denn ich stelle fest, dass ich von der Existenz einiger Gebilde gar nichts mehr wusste (Wo hatten wir diese Lichtleiste nochmal angebracht? War das wirklich mal unser Telefon?) und mich von etlichen Teilen problemlos trennen kann. Auch der vergilbte Apothekenschrank, den noch aus unserer vorherigen Wohnung stammt, wird ausgemustert. So 80er, ey.

Das Ergebnis sieht gut aus. Ich klebe Schilder an die Schubladen, auf denen steht, was drin ist, sodass wir uns nicht totsuchen müssen, wenn wir Kerzen, Glühbirnen und Pflaster benötigen. Die Katze reckt den Hals, sucht nach Achtbeinern, doch die sind in die oberen Ecken geflüchtet, als sie mitbekamen, wie sich ihr Lebensraum verändert. Die Mieze verlässt das Kabuff und steuert ihren Fressnapf an.

Es ist das vorletzte Biotop, das es in meiner Wohnung gegeben hat. Es gibt noch eine Schublade in der Küche, in denen es Ansammlungen von Kleinstteilen, die keinen anderen Platz haben, gibt. Streichhölzer, Bindfäden, Gummibänder, Gefrierbeutelverschlussdrähte, Taschenmesser und zuckerfreie Bonbons für meinen Enkel gehören dazu. Ich mag diese Schublade. Meine Großeltern im Sauerland hatten so eine und ich hatte es geliebt, darin herumzuwühlen. Ob und wie lange sie noch bestehen wird, weiß ich nicht, Nicht heute. Fragt mich zum nächsten Jahreswechsel. Es gibt immer etwas zu verändern.

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