Weiblich und älter und trotzdem ADHS

KI generiertes Bild, Chat GPT @keartus

Vor elf Monaten erhielt ich die Diagnose ADHS. Vieles ist seitdem besser für mich geworden. Ich habe mich mit einigen meiner Eigenarten versöhnen können. Ich bekomme medikamentöse Hilfe und ich habe eine neue Therapie initiiert. Eine Schwerbehinderung von 30 Grad ist anerkannt – auch wenn mir das nicht mehr viel nutzt.

Denn die Diagnose kam zu spät. Meinen letzten Job in Festanstellung habe ich unter anderem verloren, weil ich über das damals noch ungelegte Ei „ADHS“ noch nicht sprechen konnte, um Änderungen von Aufgaben und Arbeitsabläufen zu erwirken. Die Suche nach einer neurologischen Praxis und das Diagnoseverfahren hatten fast ein Jahr in Anspruch genommen. Das geht fast allen so, die den Weg gehen wollen. Die Versorgungssituation in diesem Bereich ist eine Katastrophe. Weiblich und älter und trotzdem ADHS weiterlesen

Offener Brief an Herrn de Vries

Hallo Herr de Vries,

Ich wundere mich, wie Sie auf meine Bitte, dem Gruppenantrag im Bundestag zuzustimmen, der den legalen Abbruch in den ersten 12 Wochen einer Schwangerschaft vorsieht, geantwortet haben.

Sie sind Wahlkreisabgeordneter für Hamburg-Mitte. Dort hat pro familia Hamburg e.V. seine Räumlichkeiten. Ich hatte Sie zu uns eingeladen, damit Sie sich selbst ein Bild machen können und auch mit unseren hochqualifizierten Berater:innen, die die Schwangerenkonfliktberatung tagtäglich seit vielen Jahren machen, sprechen können. Darauf gehen Sie mit keiner Silbe ein. Offener Brief an Herrn de Vries weiterlesen

Die Akte Tellmann

Über 300.000 Menschen wurden von den Nationalsozialisten systematisch ermordet, weil bei ihnen eine körperliche oder geistige/psychische Einschränkung diagnostiziert worden war. Zuvor erlitten sie körperliche Eingriffe, durch die sie sich nicht mehr fortpflanzen oder sexuelle Lust empfinden konnten: Sterilisationen, Kastrationen, Abtreibungen. Zur Legitimation dieser Verbrechen waren Gesetze wie etwa zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“ eingeführt worden. Amtlich eingesetzte Pfleger oder Vormünder waren zustimmungspflichtig.

Einer war der Bremer Notar und Anwalt Dr. Arend Tellmann, der als Pfleger für den jungen Arbeiter Johann Meyer aus Oberneuland zuständig war, der unter Schizophrenie gelitten haben soll. Das Erbgesundheitsgericht Bremen hatte am 4. Juni 1935 seine „Unfruchtbarmachung“ angeordnet. Im August 1942 wurde er in die osthessische Tötungsanstalt Hadamar gebracht. Vier Monate später war er tot. Die Akte Tellmann weiterlesen

Johann Meyer – wie ein Leben lebensunwert wurde

Johann Meyer war Arbeiter. Er wurde im hessischen Hadamar in einer der Tötungsanstalten der Nationalsozialisten ermordet. Sie waren neben den KZs strategisch eingerichtete Orte, an denen in der NS-Zeit Massenmorde durchgeführt worden waren..

Der Oberneulander Johann Meyer war eines von über 300.000 Opfern planmäßiger Krankenmorde. Denn behinderte und psychisch Erkrankte galten bei den Nazis als „unwertes Leben“. Zuvor wurden sie meist durch Sterilisationen verstümmelt.

Für Johann gibt es nun ein Stolperstein. Er wurde in der Apfelallee 4 in Bremen-Oberneuland in den Bürgersteig eingelassen. Dort war er geboren worden und aufgewachsen. Zwei Häuser weiter, Apfelallee 8, wurde zeitgleich ein Stolperstein für Betty Denker verlegt, die im niedersächsischen Wehnen ermordet worden war. Johann Meyer – wie ein Leben lebensunwert wurde weiterlesen

Woher stammt der Safe Abortion Day?

Jedes Jahr demonstrieren Menschen am 28. September in Lateinamerika und feiern, in Freiheit geboren worden zu sein. Warum eigentlich am 28. September? An diesem Tag  hatte das brasilianische Parlament im Jahr 1871 verfügt, dass jedes Kind frei geboren ist – ein wichtiger Baustein zur Abschaffung der Sklaverei. Dies schloss das Recht auf Zugang zu legalen, sicheren Schwangerschaftsabbrüchen mit ein.

Der Safe Abortion Day, Tag der sicheren Schwangerschaftsabbrüche, wurde 1990 in San Bernardo, Argentinien, auf einem feministischen Treffen mit Delegierten aus der Karibik und Südamerika auf Antrag der brasilianischen Delegation ins Leben gerufen. Im Jahr 2011 erklärte das Globales Frauennetzwerk für reproduktive Rechte (Women’s Global Network for Reproductive Rights, WGNRR) den 28. September zum internationalen Tag.


Seit einigen Jahren finden auch auf anderen Kontinenten und in vielen Ländern Proteste und Aktionen am 28. September statt. In Deutschland fordern jährlich über 60 regionale Bündnisse für reproduktive, sexuelle und körperliche Selbstbestimmung, aber auch Familienplanungszentren, Pro Familia das Menschenrecht auf freie Entfaltung der Sexualität und Familienplanung ein. Es muss verbindlicher Teil der Gesundheitsvorsorge sein und ist Kernelement bei der Gleichstellung der Geschlechter.

Dazu gehört die Legalisierung von Abtreibungen und dass entsprechende Strukturen geschaffen werden, sie vornehmen zu lassen. Deutschland entspricht diesen Anforderungen nicht.

Hauptursache ist der § 218, der seit über 150 Jahren im Strafgesetzbuch steht. Er stellt nicht nur Abtreibungen unter Strafe; seine Existenz führt dazu, dass sie von viel zu wenigen Ärzt:innen durchgeführt und bis heute nicht angemessen in der medizinischen Ausbildung gelehrt werden. Sie werden zudem schlecht vergütet und sind für niedergelassene Ärzt:innen nicht sonderlich attraktiv.

Die andere Ursache sind die Verflechtungen der Kirchen mit den Regierungen und die Privatisierung der Krankenhäuser zu immer größeren Klinikkonzernen: So berufen sich Politiker:innen, die gegen legale Abtreibungen sind, auf willkürlich und religiös abgeleitete Definitionen von „werdendem Leben“ – die sich im Laufe der Jahrhunderte auch immer wieder geändert haben. Und es führen Krankenhäuser, an denen die Caritas beteiligt ist, keine Abtreibungen durch – selbst wenn sie den staatlichen Versorgungsauftrag sicherstellen, und von den Landesregierungen hohe Investitionskostenzuschüsse dafür erhalten. Auch andere private Klinikkonzerne bieten keinen Abtreibungen an.

Nötig wären daher:

Der internationale Tag für sichere Schwangerschaftsabbrüche ist notweniger denn je. Er ist ein Tag für Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. Der Safe Abortion Day ist auch Widerstandstag gegen die Feind:innen reproduktiver Selbstbestimmung: Abtreibungsgegner:innen sind antifeministische Demokratiefeinde, die Menschenrechte missachten.

Es geht ihnen nicht um den Schutz von Leben sondern um Dogmen. Ihr ideologisches Fundament begründet sich auf Gebärzwang, Entmündigung von Menschen und ist zudem häufig rassistisch und nationalistisch motiviert: Oft wird Angst vor dem Aussterben eines Volkes geschürt, während Zugewanderte, die mit vielen Kindern leben, ausgegrenzt und diskriminiert werden.

Sexualität muss genossen werden dürfen – zu jeder Zeit, in jedem Alter. Familienplanung muss individuellen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Staat und Gesellschaft haben die Voraussetzungen zu treffen, dass diese Freiheitsrechte, die wesentliche Aspekte von Gesundheit und Wohlbefinden sind, verwirklicht werden.

 

 

Darf man heutzutage noch Kinder in die Welt setzen?

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erschienen in pro familia Magazin 4/2023

Die Entscheidung, Kinder zu bekommen oder nicht, trifft jede Generation neu: Auch gestern und vorgestern gab es genug Gründe, auch jenseits der persönlichen Situation, auf Elternschaft zu verzichten. Da hieß der Klimawandel noch Ozonloch oder Tschernobyl. Oder es bestanden ganz allgemeine Zukunftssorgen.

Was aber ist, wenn das Entsagen von eigenen Kindern Folge einer kollektiven Haltung ist – etwa einem Gebärstreik? Der wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts gefordert. Die Ideen dahinter: Die Arbeiterklasse sollte der Ausbeutung durch Kapitalisten nicht mehr zur Verfügung stehen; dem Staat sollte der Nachwuchs an Soldaten verweigert werden. Die Feministin Clara Zetkin sprach 1913 vehement dagegen: Erfolgreicher Widerstand benötige viele Menschen, meinte sie. Sie setzte sich durch. Darf man heutzutage noch Kinder in die Welt setzen? weiterlesen

Warum nur hat sie dieses Buch geschrieben?

Das Buch „Aus die Maus“ von Zaklin Nastic erscheint in unruhigen Zeiten. Zum einen befindet sich DIE LINKE, für die Zaklin im Bundestag sitzt, in existentieller Not – gekennzeichnet durch Wahlniederlagen und Mitgliederschwund. Zum anderen haben die Finanz- und Wirtschaftskrise und die Pandemie die soziale Spaltung weiter verschärft – es gibt immer mehr arme Menschen und immer mehr Superreiche. Ressourcenknappheit, globale Wettbewerbe, Grenzkonflikte und innerstaatliche Machtfragen befördern zudem weltweit Kriege. Und nicht zuletzt die Rechtsentwicklung in vielen Staaten sowie die Auswirkungen des Klimawandels stellen große Herausforderungen für linke und zivilgesellschaftliche Institutionen und Bewegungen dar. Anhaltend wirkt sich der Bedeutungsverlust der Repräsentation aus. Warum nur hat sie dieses Buch geschrieben? weiterlesen

Unter Wasser

Eine Stilkritik

Als sich bei den frühen Lebewesen aus Flossen Beine entwickelten und aus Kiemen Lungen und sie an Land gingen, um zu laufen und zu atmen, konnten sie nicht ahnen, dass einige ihrer Nachfahren das Schwimmen verlernen würden. Der Mensch und seine affigen Verwandten sind die einzigen Säugetiere, die nicht schwimmen können, wenn sie auf die Welt kommen. Giraffen können es auch nicht, in Anbetracht ihrer Körperform ist es nicht verwunderlich. Unter Wasser weiterlesen

Weihnachten ist ein schwieriges Fest

Weihnachten ist ein schwieriges Fest. Bedürfnisse und Erwartungen schaukeln sich über Wochen hoch wie eine Riesenwelle, die spätestens Heiligabend ihren Zenit erreicht und sich auf gefühlsfiebernde Menschen wie mich ergießt.

Warum gefallen uns an Weihnachten kitschige Melodien und überdimensioniert geschmückte Tannen? Warum essen wir Unmengen an Fleisch und Süßigkeiten? Warum verschenken wir Nützliches wie Wegschmeißartikel, Designerware und den halben Inhalt von Spielzeuggeschäften? Warum weinen wir bei Kerzenschein und Glockengeläut‘? Warum geht es vielen anschließend oft schlecht, sodass nur Alkohol oder ein Horrorfilm dabei helfen können, nicht vollends aus dem Lot zu geraten? (Ich habe bis halb 1 morgens “Harte Jungs” mit Will Smith gesehen). Weihnachten ist ein schwieriges Fest weiterlesen

Rede zum Tag gegen Gewalt an Frauen, 25. November 2022

Liebe Menschen, liebe alle, die heute für das Recht auf ein gewaltfreies Leben demonstrieren. Und damit auch an diejenigen erinnern, die Opfer von Gewalt wurden: Misshandelt, gequält, vergewaltigt, ermordet. Hierzulande, in der Ukraine, im Iran, in den kurdischen Gebieten, auf der ganzen Welt. Darunter rein statistisch viele, die auch heute auf dieser Demo sind.

Gewalt gegen Frauen ist international und sie ist für alle gegenwärtig. Sie ist unabhängig von Milieu, Schicht, Status und Einkommen, Nationalität, Land!

Aber: Es gibt Lebensphasen, in denen sind Frauen einem besonderen Gewaltrisiko ausgesetzt. Ich möchte als Vorsitzende von Pro Familia Hamburg darüber sprechen, da sie gesellschaftlich mit einem anderen Bild belegt sind – und damit wird die Gewalt zugleich tabuisiert. Ich zitiere dazu aus dem Landesaktionsplan Opferschutz der Freien und Hansestadt Hamburg (Seite 10): Rede zum Tag gegen Gewalt an Frauen, 25. November 2022 weiterlesen