Und noch einmal

Schon als er geboren wurde, hatte ich mich auf den Moment gefreut, ihm ein Buch vorlesen zu können. Kindern etwas vorzulesen, bereitet mir großes Vergnügen, denn sie sind aktive Zuhörende. Und sie dulden deswegen auch keine Fehler. Ich lese ruhig, ohne zu viel Betonung. Manchmal wechsle ich die Tonlage, etwa bei direkter Rede. Ich bemühe mich um viele Pausen und vermeide luschiges Aussprechen.

Vor ein paar Jahren las ich in einer Kita „Pippi Langstrumpf“ vor. Ich hatte das Buch aus meinem Regal gezogen, es vom Staub befreit und in meine Tasche gesteckt. Pippis Freunde heißen Thommy und Annika. In dem alten Buch, aus dem ich vorlas, wurde der Junge aber noch als Thomas bezeichnet. Sofort erhob sich Protest: „Das heißt Thommy!“ Kinder, dachte ich, was seid ihr doch pingelig! Und noch einmal weiterlesen

Deutsche Kinder in Paris, 1925

tucholsky1_200Der Text “Deutsche Kinder in Paris” von Kurt Tucholsky alias Ignaz Wrobel, erschienen 1925 in der Weltbühne, ist unendlich traurig,  und hochaktuell. Ich habe ihn vor vielen Jahren schon einmal mal vorgelesen. Jetzt war wieder eine Gelegenheit. Da die Nachfrage groß gewesen ist, ihn zur Verfügung zu stellen, dokumentiere ich ihn hier:

Im Pariser Gewerkschaftshaus, in der rue Grange-aux-Belles, lärmt der große, braungraue Versammlungssaal. Kinder, überall Kinder. In einer Ecke stehen Pakete, Kisten, Rucksäcke: Nahrungsmittel, Stoffe, kleine Käfige mit Meerschweinchen und Kaninchen – das wird jetzt auf die Bahn geschafft. Frauen sitzen auf den Bänken, Arbeiterfrauen. Man sieht viele verheulte Gesichter. Hier wird Abschied genommen: ein Transport deutscher Kinder, die sechs Monate zu Besuch bei den französischen Genossen waren, nimmt Abschied. Deutsche Kinder in Paris, 1925 weiterlesen