veröffentlicht in pro familia Magazin 4/19
Hamburgs Bevölkerung wächst seit Jahren. Ob diese Entwicklung auch bei der Versorgung ungewollt Schwangerer Berücksichtigung findet, sollten zwei Anfragen herausfinden, die Grüne und Linke an den Senat gestellt haben.
Die Antworten zeigen, dass wichtige Informationen nicht vorliegen, um die Versorgungslage von ungewollt Schwangeren richtig einzuschätzen und für die Zukunft zu planen. Weder sind die gestiegenen Wartezeiten bekannt, die zwischen Beratungen und Abbrüchen liegen, noch werden die Versorgungssituationen in den benachbarten Bundesländern bewertet.
So hat sich die Anzahl an Praxen, die Abbrüche durchführen, in den letzten zehn Jahren von 85 auf 41 verringert. Und in nur acht von 15 Krankenhäusern der Stadt, die gynäkologische Betten vorhalten, werden Abbrüche durchgeführt. Die Anzahl der Abbrüche ist in Hamburg in den letzten zehn Jahren zwar zurückgegangen – um gute zehn Prozent: 2009 waren es 4.203 Abbrüche, in 2018 3.779. Und auch der Anteil der Abbrüche in Krankenhäusern, ist gesunken. Aber warum der Anteil stationär durchgeführter Abbrüche innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen im Verhältnis zu den ambulant in Krankenhäusern durchgeführten von knapp vier Prozent auf 15 Prozent gestiegen ist, ist unklar.
Bestehen Zusammenhänge mit der in 2005 erfolgten Privatisierung der städtischen Kliniken und der sich veränderten Struktur der Krankenhauslandschaft? Wir können das nur vermuten: So liegen heute über die Hälfte der vollstationären gynäkologischen Betten bei konfessionell gebundenen Krankenhäusern.
Erfreulich ist, dass der Anteil medikamentöser Abbrüche mit Mifegyne/Mifepriston zugenommen hat – auf knapp 27,4 Prozent in 2018. Das ist eine Verdoppelung gegenüber 2009. Aber immer gibt es Ausschabungen– in 2019 immerhin noch 320-mal (8,5%).
Ungewollt Schwangere, die in Hamburg einen Abbruch vornehmen lassen, leben überwiegend in der Stadt. Aber der Anteil derjenigen, die aus Niedersachsen kommen und einen Abbruch in Hamburg haben durchführen lassen, ist seit 2009 um 50 auf 269 gestiegen; wie auch die Zahl der Frauen aus Schleswig-Holstein – von 154 auf 210. Daher bewerten wir es als unzureichend, dass der Senat keine Versorgungslagen in anderen Ländern bewerten will. Es wäre vielmehr dringend nötig.
Hamburg gilt als liberales Bundesland in Bezug auf Abtreibungen. Die Gesundheitsbehörde veröffentlicht seit Jahren eine Liste mit Adressen von Praxen, die Abbrüche durchführen. Nun gab der Senat zur Auskunft, dass immerhin sechs Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen, der Veröffentlichung ihrer Adresse widersprochen hätten. Ob es einen Zusammenhang mit den aktuell fünf Verfahren gegen insgesamt acht Ärztinnen und Ärzte in Hamburg gibt, die nach § 219a StGB verstoßen haben sollen, kann nur vermutet werden.
Wir gehen derzeit davon aus, dass die Versorgung – im Gegensatz zur Einschätzung der Gesundheitsbehörde – bereits jetzt nicht mehr ausreicht. Damit es eine gute Grundlage für die Familienplanung gibt, werden wir Senat und Hamburgischer Bürgerschaft dringend empfehlen, die fehlenden Daten zu beschaffen.