Was fordern Trans*personen von der Politik? Was benötigen sie, um selbstverständlicher Teil der Gesellschaft zu sein? Diese Fragen habe ich mit den Podiumsgästen auf einer gut besuchten Veranstaltung der LINKEn während der Hamburger Pride-Week erörtert. Als Moderatorin hatte ich die Aufgabe, die ca. 50 Besucher*innen einzubinden. Denn sie waren ebenso Fachleute wie Vivien, Leo, Franziska, Wiebke und Andromeda, die auf dem Podium Platz genommen hatten. So kamen jede und jeder zu Wort. Lebhaft und vielfältig wurde debattiert.
Ich lehne alle Schubladen ab, in die man Menschen durch eine Geschlechterzuordnung packen will, lautete eine Aussage. Eine andere: Warum muss ich mich entscheiden, welchem Geschlecht ich angehören will? Warum darf es keine Frau mit Penis geben? Eine weitere Position: Wenn ich als Trans*frau ein Kind zeuge, werde ich als Vater deklariert. Das ist diskriminierend. Ich bin eine Frau, ich will eine Mutter sein. Eine weitere: Meine Mutter bekommt selbstverständlich Hormone wegen der Wechseljahre. Ich bekomme Hormone erst, wenn mein Seelenleben durchleutet wurde.
Das Transsexuellengesetz (TSG) ermöglicht Trans*personen eine Geschlechtsangleichung. Vorher müssen sie einen Trip durch Arztpraxen und Gutachten erdulden. Warum, fragte eine Teilnehmende, warum maßt sich ein Arzt an, mich beurteilen zu können, wenn er selbst gar nicht trans ist? Da das TSG zu Recht umstritten war, wurde es vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Die Politik ist bis heute nicht dazu in der Lage, es zu reformieren. Sind wir so wenig wichtig?, fragt ein Gast. Nein, antwortete ich, gerade weil ihr so eine Bedeutung habt für die Gesellschaft, fasst das Thema niemand so richtig an. Allein wenn man schon sieht, wie schwer es fällt, so etwa relativ Einfaches wie die Homo-Ehe zu etablieren, erkennt man, welche Brisanz für die heteronormative Gesellschaft in dem Thema steckt.
Leo, der bei TransInterQueer e.V. in Berlin tätig ist, berichtete, wie der Verein Menschen dafür sensibilisiert, mit Trans*personen zu arbeiten: So werden sie gebeten, ihr Geschlecht zu beschreiben, ohne ihren Körper oder Teile ihres Körpers zu benennen. Die Absurdität dieser Aufgabe wird bereits nach wenigen Sätzen deutlich. Was macht weiblich oder männlich eigentlich wirklich aus? Genauso ergeht es Trans*menschen. Sie sind in einem Körper geboren, der mit ihren Gefühlen und ihrem Identitätsverständnis nicht übereinstimmt. Und so werden sie zu Patient*innen gemacht. Jahrelang. Operationen, psychologische Untersuchungen. Ein Leben in eienr Zwischenwelt, die diese Gesellschaft nicht kennen will. Entweder oder. Zweifel oder Wechsel sind nicht genehmen. Bestenfalls ergießt sich Mitleid über Menschen, die durch die Zweiteilung Frau/Mann zerrissen werden. Diskriminierung am Arbeitsplatz, in den Jobcentern, bei der Wohnungssuche, in Schulen und Kindergärten sind an der Tagesordnung. Trans*menschen sind immer arm.
Trans*frauen werden stärker diskriminiert als Trans*männer, lautete eine Einschätzung. Es sei schlimmer für die patriachale Gesellschaft und insbesondere für die Männer, wenn einer von ihnen eine Frau sein will. Andersrum, also wenn eine Frau zum Trans*mann wird, würde das belächelt. Ernstgenommen würde man aber auch nicht. Und so werden Trans*personen immer wieder Opfer von Hasskriminalität.
Daher soll es in dieser Wahlperiode einen Landesaktionsplan geben, der systematisch Strategien dagegen entwickelt – in Bildung, Gewaltprävention, Forschung. Die Grünen in der Bürgerschaft hatte im Dezember 2014 einen entsprechenden Antrag gestellt. 150.000 Euro sollten dafür bereit gestellt werden. Seit März 2015 regieren sie in Hamburg (wieder einmal) mit. Der Koalitionsvertrag sieht ein solches Papier auch vor, nur Geld stellt der Senat dafür nicht mehr bereit. Ein schlechter Witz, da waren sich die Gäste der Veranstaltung einig. Ein sechsstelliger Betrag wird auch in Berlin für einen solchen Aktionsplan bereit gestellt, es gibt ihn seit 2010.
Was brauchen Trans*menschen? Akzeptanz und Würde. Ansonsten eben auch alles, was alle anderen auch benötigen: Liebe, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und das Recht, Familien zu gründen, sich beruflich zu verwirklichen und das Leben zu leben, was sie möchten.
Der Pink-Channel hat anschließend ein Interview mit mir geführt.