Für die Aktuelle Stunde der Bürgerschaft hat sich die SPD diesmal einen Trick einfallen lassen, um die Debatte über ein ungeliebtes Thema zu vermeiden: Sie schickte reihenweise Abgeordnete, einen Senatoren und eine Senatorin in die Bütt, um Zeit zu schinden.
Aktuellen Stunden sind zeitlich befristet. Am ersten Tag einer Doppelsitzung 75 Minuten, am zweiten Tag 45 Minuten. Redet der Senat, verlängert sich die Aktuelle Stunde um diese Redezeit. Redet der Senat kurz vor Ablauf der Aktuellen Stunde, darf jede Fraktion noch einmal erwidern. Das ist eine faire Regel, die auch die kleinen Fraktionen nicht benachteiligt.
Jede Fraktion hat der Reihe nach ein Anmelderecht für die Aktuelle Stunde. Im Umlaufverfahren ist somit jede mal an erster Stelle – am 21. Mai waren wir das. Wir haben das geheimverhandelte Freihandelsabkommen TTIP als Thema angemeldet.
Außenparlamentarischen Protesten, der Linken und Attac ist es zu verdanken, dass sich endlich auch die Polkt-Elite öffentlich dazu äußern muss, welche fatalen Folgen TTIP haben kann. Ein paar Tage vor der Europawahl war es daher wichtig, dass auch in der Hamburgischen Bürgerschaft dazu Position bezogen wurde.
An zweiter Stelle kam nach uns SPD mit ihrer Themenanmeldung: Wohnungsbaupolitik. Die dritte und fünfte Anmeldung (CDU und FDP) wurden zusammengezogen, da sie thematisch identisch waren: Verkehrspolitik und Stausituation in der Stadt.
Nun ist es so: Meistens kommen in 75 Minuten zwei, manchmal drei Themen dran. Fast immer aber kommt das dritte Thema dann am zweiten Tag dran. Diesmal war das so: Über TTIP wurde über 90 Minuten lang geredet. Geredet, sage ich bewusst, denn eine Debatte war das nicht mehr. Eine Debatte ist ein Streitgespräch und folgt bestimmten Regeln. Wenn aber ein Beitrag nach dem anderen von derselben Fraktion hintereinanderweg vorgetragen wird, ist das keine Debatte mehr. Dauerreden werden Filibustern genannt. In den USA sind sie berüchtigt und können mehrere Stunden dauern.
Nachdem die Argumente zu TTIP ausgetauscht waren, meldeten sich nämlich weitere SPD-Abgeordnete und hielten Redebeiträge zu TTIP. Und redeten und redeten. Jede und jeder fünf Minuten lang. Und damit der Stoff nicht ausging, stieg nach Senator Scheele auch Senatorin Prüfer-Storcks ins Filibustern ein.
Die Folge: Die 75 Redeminuten für die Abgeordneten waren mit dem ersten Thema vorbei. Für den zweiten Tag konnte die SPD somit mit der Wohnungsbaupolitik gleich zu Beginn der Bürgerschaftssitzung Wahlkampf machen, und die frische Aufmerksamkeit der anwesenden Presse und der Gäste auf den Besuchsrängen genießen. Dass das dann nicht wie geplant gelang, lag an unserer Abgeordneten Heike Sudmann. Sie zählte die Mängel der über 6.000 Wohnungen auf: vor allem dass sie am Bedarf vorbei geplant sind und keineswegs eine Entspannung bei der Mietenfrage bringen.
Was auch noch echte Debattenkiller sind, ist die Unterhaltungskultur des Parlaments. Gerne halten die Abgeordneten mal einen Schnack auf der Sitzbank. Nicht selten aber steigt der Lärmpegel so dermaßen an, dass die Person am Redepult mit ihrem Beitrag kaum mehr durchkommt. In den Abendstunden ist das regelmäßig der Fall.
Als die schulpolitische Sprecherin der CDU, Karin Prien, am Mittwoch ihre Rede hielt, hörte so gut wie niemand mehr von ihrer Fraktion zu. Das verleitete den NDR-Journalisten Jörn Straehler-Pohl um 21.07 Uhr zu einem Twitter-Beitrag: #hhbue interessant: die CDU-Schulpolitikerin spricht und am lautesten dabei ist die CDU-Fraktion.” Ob der Tweet von der CDU-Fraktion gelesen wurde, weiß ich nicht, ich gehe davon aus. Ob das ein Thema in der CDU-Fraktion wird, weiß ich auch nicht. Bei uns würde so ein unsolidarisches Verhalten allerdings besprochen werden.