Nun ist er zwei Jahre alt, kann ganze Sätze sprechen und verschiedene Lieder anstimmen. Von „Oh Tannebaum“ singt er komplett die erste Strophe. Ich vermute, das Lied wird uns auch noch im Sommer begleiten. Mein Enkel wiegt fast 15 Kilogramm, hat lange blonde Locken, ist ziemlich kitzelig und zieht gern Grimassen. Er kennt die Vornamen seiner Großeltern, seiner Eltern und der Kinder seiner Krippengruppe. Den Namen eines FC St. Pauli-Kickers schreit er, wenn er einen Ball in ein Tor kickt. Groß ist er geworden. Mit viel Persönlichkeit.
Fahren wir U-Bahn, rennt er durch das Abteil und hält sich rechtzeitig fest, um beim Anfahren oder Stoppen der Bahn nicht hinzufallen. Er hebt den Hintern hoch, um sich die Windel wechseln zu lassen und sagt „nein“, wenn man ihm etwas anbietet, was er nicht möchte, oder was er selbst in die Hand nehmen möchte, oder womit er nicht einverstanden ist. Verständig ist er geworden. Und widerständig.
Essen ist von zentraler Bedeutung: Er kocht und füttert imaginär Plüschtiere und Puppen, aber auch wir bekommen „Essen“ gereicht, um es zu kosten, zu schlucken und zu bewerten. Er kichert, wenn man rülpst. Heißes Essen wird gepustet, ob es echt ist oder nicht. Süßigkeiten sind beliebt, aber wenn ich ihm ein Buch mit einem Apfelbaum vorlese, möchte er sofort einen Apfel essen. Kleingeschnitten liegt der Elster dann auf einer Untertasse neben ihm, er stopft sich das Obst in den Hals, als gelte es, einen Wettbewerb zu bestreiten. Kita-Kind, denke ich …
Zum 2. Geburtstag hat er von uns einen kleinen Tisch mit kleinem Stuhl und kleiner Bank für die kleinen Begleiterinnen und Begleiter im Kinderzimmer bekommen. Zunächst setzte er sich selbst auf die Möbel. Ich hatte ein Déjà-vu: Als unsere Kinder Weihnachten 1990 das gleiche Geschenk erhielten, mussten ihre Puppen auf dem Fußboden Platz nehmen, während sie sich auf die Sitze zwängten. Fotobeweise von damals liegen vor.
Die Welt draußen wird vom Buggy aus nach Baggern und Vogelnestern abgesucht. Leider machen Bagger zu oft Pause oder haben schon Feierabend. Die Vogelnester sind derzeit ausgestorben, dafür aber im Januar gut in den Baumwipfeln zu erkennen. Auch ordnet er bereits die ersten Buchstaben zu. MAMA, PAPA, OMA, OPA übt er schon. Ab und an kommt er mit blauen Flecken und Kratzern aus der Kita nach Hause. Es geht in seiner Gruppe manchmal richtig ab. Die Erzieherinnen ermuntern die Kinder, ihre Interessen zu vertreten. Sie lernen, sich ihr Spielzeug zurückzuholen, wenn es von anderen Lütten weggenommen wurde. Nicht immer haben die Auseinandersetzungen darüber Schrammen zu Folge, aber manchmal.
Arbeiten Bagger? Arbeiten Fußballstars? Wie entsteht ein Vogelnest?
Ein Besuch im Museum der Arbeit neulich war besonders aufregend: Mein Enkel rannte durch die weitläufigen Etagen, schaute sich die großen Druckmaschinen an und bewunderte zusammen mit seinem Opa die Mechanik. Was Arbeit ist, ist natürlich noch viel zu abstrakt. Aber wir haben unseren Kindern Arbeit auch sehr früh so konkret wie möglich erklärt und fühlen lassen. Da tut man was, das hat ein Ergebnis. Und dass das Ergebnis gut wird, dafür ist man verantwortlich. Darüber kann man sich freuen. Gute Werkzeuge sind erforderlich und die muss man pflegen. Werkzeuge verändern sich, das kann man im Museum der Arbeit sehr gut nachvollziehen. Dass ausgerechnet die Ursprünge der Medien dort stehen, Drucktechniken erklärt werden, Schriftsatz und Papierherstellung, ist besonders schön. Es ist unsere Geschichte.
Wie vielfältig Arbeit ist, wird mein Enkel nach und nach verstehen. Ein Bagger arbeitet nicht, sondern er ist ein Werkzeug. Ein Fußballspieler betreibt das Kicken als Hobby, aber es kann auch ein Beruf und damit Arbeit werden. Ein Vogel arbeitet, wenn er ein Nest baut, aber er bekommt dafür kein Geld. Und wer den Holztisch, den Stuhl und die Bank für die Puppen gebaut hat, hat gearbeitet, dafür Lohn bekommen. Und noch wer bekam Geld: Die Frau, die uns die Sachen verkauft hat. Kompliziert ist das mit der Arbeit. Tja, denn auch wer Lieder singt, kann dafür Geld bekommen. Und manche Leute möchten gern arbeiten, bekommen aber keine.
Wichtig ist für heute, dass wir einen Ort haben, wo sich alle Generationen wohlfühlen. Wir haben uns vorgenommen, öfter Museen zu besuchen. Besonders oft vermutlich das Museum der Arbeit.