Eine vierte Klasse hat mich im Rathaus besucht. Zusammen sind wir durch die Räume gegangen, haben uns Gemälde und Skulpturen angeschaut. Die Zehn- und Elfjährigen hatten viele Fragen mitgebracht. Die wichtigste: “Ist ,Herr Scholz’ schon da? Ich habe Licht in seinem Büro gesehen!”
Das Interesse am Bürgermeister verflog aber schnell, als unser Guide Annika anfing, die Geschichte des Rathauses zu erzählen.
Vor Hundert Jahren waren richtige Wahlen noch ein Fremdwort. Auch Frauen dürfen ja erst seit wenigen Jahrzehnten wählen und sich als Abgeordnete wählen lassen, was ein Mädchen “echt fies” fand. Dass Hamburgerinnen und Hamburger jetzt schon ab 16 Jahren das Wahlrecht haben, wussten die kleinen Gäste noch nicht. Aber dass sie ja auch schon wählen dürfen, nämlich ihre Klassen- und SchulsprecherInnen, war ihnen natürlich präsent.
Wenn sie heute etwas entscheiden könnten in der Bürgerschaft, was wäre das? Sie würde mehr Kinderwahlen wollen! Eine spontane Abstimmung ergab 20 ja-Stimmen, drei Enthaltungen und eine Gegenstimme!
Im Plenarsaal galt das Interesse der Schülerinnen und Schüler außerdem dem Redepult. Die Lautsprechanlage war zu ihrem großen Bedauern ausgeschaltet, aber zum Glück konnte ich das Pult hoch- und runterfahren lassen.
Im Kaisersaal schauten wir dann zusammen an die Decke, denn dort symbolisieren Gipsfiguren die Länder , mit denen vor Hundert Jahren Handel betrieben wurde. “Wo ist die Türkei?”, fragte ein Mädchen. Auch ich hatte bislang noch gar nicht gewusst, dass ein Cowboy und ein Indianer für Nordamerika abgebildet sind. In großen Plastikkugeln, die reihum gingen, waren Tee, Kaffee und Kakao aufbewahrt – wichtige Handelsgüter, die im Hafen umgeschlagen wurden und werden. Guide Annika hatte auch alte Kleidung mitgebracht, die damals die Mitglieder der Bürgerschaft – alles alte Männer – tragen musste. Ein Junge zog sie an – die weiße Halskrause juckte nach fünf Minuten mächtig!
Zum Abschied bekamen die Kinder einen Schlüsselanhänger geschenkt mit einer kleinen “Medaille” daran. Neben den vielen Fotos, die sie gemacht haben, ist das bestimmt eine nette Erinnerung an ihren Ausflug im Rathaus. Vielleicht sehe ich ja einige von ihnen wieder, wenn sie alt genug für “Jugend im Parlament” sind.