Ich habe zwei Riesenpakete Windeln gekauft, drei Großpackungen Papiertaschentücher und das Regal mit der Malkreide leer geräumt. Damit habe ich mich zur Messehalle B7 aufgemacht, wo für die Flüchtlinge eine Kleiderkammer eingerichtet wurde. Schon vor dem Eingang stapeln sich Kartons und Plastiktüten. Es wirkt chaotisch, aber es hat System: Hier wird erst einmal vorsortiert. Ich stelle meine Sachen dazu. Als ich in die Halle komme, sehe ich ein Schild: „Keine Kuscheltiere, bitte wieder mitnehmen!” Wegen der Hygiene.
Es ist eine ruhige, aber geschäftige Stimmung. Bis an den Horizont der Messehalle stapeln Kartons. Im vorderen Bereich stehen lange Tische, an denen die Spenden sortiert werden: Damen, Herren, Kinder. Schuhe iund Spielzeug extra. Es ist ein Spendenaufkommen der Superlative.
Ich werde angesprochen: „Willst Du helfen? Hier sind Einmalhandschuhe, da steht Desinfektionsmittel, am besten gehst Du zu den Herrenjacken, die werden jetzt ausgegeben und müssen dringend sortiert werden.“ Auf ein Stück Kreppband schreibe ich meinen Namen und klebe es an meine Jacke.
„Die Herrenjacken“ – das ist ein Tisch, auf dem sich Unmengen davon stapeln. Kartons stehen davor, ebenfalls voll mit Jacken. Susi, meine Sortierpartnerin, und ich entwicklen ein System: Wir bilden zunächst Häufchen: Winterjacken XL, L, M, S. Dünne Jacken XL, L, M, S. Westen XL, L, M, S. Anzüge. Anzüge? Tatsächlich haben viele Menschen richtige Anzüge vorbeigebracht. Was sollen die Flüchtlinge denn damit? Wir geben sie auf den Altkleiderberg, ebenso wie zwei Bademäntel (?). Leider sind viele Sachen viel zu groß, es werden vor allem Anziehsachen in S und M benötigt. Dafür ist der überwiegende Teil der Spenden sehr gut erhalten und sauber. Nur wenige Klamotten stopfen wir in den Karton, auf dem ein Schild mit „Müll“ steht.
Die Jackenhaufen kommen gut sortiert in andere Kartons. Wenn wir einen voll haben, bringen wir ihn eine Station weiter zum Bekleben und Beschriften. Dann wird er zum Scannen getragen und schließlich auf einen der unendlichen Kartonberge gehieft, um für die Ausgabe an die Refugees bereitzustehen. Dass das alles selbst organisiert ist, beeindruckt mich sehr.
Susi und ich kommen ins Gespräch. Heute hat sie frei und kann endlich helfen. Ich sehe ein paar bekannte Gesichter: Nikolai von der Linken, Monika von ganz früher und Jule aus der Bürgerschaft. Lange geschnackt wird nicht, es gibt zu viel zu tun. Nach zwei Stunden sind meine Handschuhe durch, ich wechsle sie gegen neue ein. Ein älteres Ehepaar kommt an unseren Tisch. Er übergibt mir eine – seine – Jacke mit einem feierlichen Blick. Ich verstehe, was in ihm vorgeht und bedanke mich.
An einem Imbissstand haben Leute Spenden für die Helfenden abgestellt.
Brötchen, Kuchen, Obst, Kaffee, Wasser. „Lose Lebensmittel nur mit Handschuhen oder desinfizierten Händen anfassen“, steht auf einem Schild. Macht
Sinn, denke ich mir, hier gehen einfach zu viele Leuten ein und aus.
Susi und ich sortieren weiter, bringen Kartons weg, suchen uns neue, packen wieder Jacken ein. Es kommen im Laufe des Vormittages immer mehre Menschen – und immer mehr Herrenjacken.
Als ich die Halle nach einigen Stunden verlasse, kommen mir immer noch Menschen mit Spenden angefahren. „Es nimmt ja gar keine Ende“, sage ich vor mich hin. Eine Frau neben mir erwidert: „Es nimmt ja auch kein Ende mit den Flüchtlingen, deswegen brauchen wir das alles hier auch.“ Ich klebe mein Namensschild an die Tür, dort wo auch alle anderen hängen, die hier mitgeholfen haben.