Auf der Suche nach neuen Erkenntnissen, Teil 1
Ihre Gesundheit ist den meisten Menschen wichtig. Hätten sie drei Wünsche frei, würden sich 58% von der guten Fee Gesundheit wünschen, lautet das Ergebnis einer Umfrage. Schade, dass es die gute Fee nicht gibt. Sie würde den Wunsch nach Gesundheit nämlich auch kostenlos erfüllen. Schwuppdiwup und schon wäre es passiert.
Der Glaube an die gute Fee ist bei Erwachsenen nicht mehr ausgeprägt – und so geben sie eben Geld aus, damit sich der Wunsch nach Gesundheit erfüllt. Erst recht, wenn man von einer lebensbedrohlichen Krankheit heimgesucht wurde, etwa Krebs. Knapp eine halbe Million Krebsneuerkrankungen gibt es jedes Jahr. Dass eine Krebsdiagnose heute längst kein Todesurteil mehr bedeutet, ist bei vielen offenbar noch nicht angekommen. Dass der Anstieg an Krebserkrankungen vor allem an der insgesamt längeren Lebenserwartung und genaueren Diagnoseprogrammen liegt, ebenfalls nicht. Dass ein Drittel aller Krebserkrankungen auf persönliches Verhalten etwa wie Nahrungsaufnahme und Genussmittelkonsum (Rauchen/Alkohol) zurückzuführen ist, mögen manche auch nicht wahrhaben. Immer noch werden Krebs schicksalshafte Ursachen zugeschrieben. Oder charakterliche. Genauso sieht es bei den Heilungschancen aus. Die Folge ist: Mit Erkrankten lässt sich viel Geld verdienen – nur leider ohne dass sich die Erwartungen erfüllen.
Einen bedeutenden Anteil im Portfolio des Kopp-Verlages – der eher durch Bücher über Verschwörungstheorien, das Schüren kollektiver Panik oder islamophobe Stimmungsmache bekannt ist – haben Gesundheits-Medien. So können unter der Rubrik „Wohlbefinden“ zum Beispiel eine Einlaufhilfe (16,50€) , Haartropfen (49,90€) oder bittere Aprikosenkerne (10,95€) bestellt werden. Letztere sollen der Krebsvorsorge dienen. Eine Behauptung, die keiner wissenschaftlichen Betrachtung Stand hält. Fakt ist: Immer mehr Menschen können heute dank verbesserter, individualisierter Therapien und Medikamente mit dem Krebs leben. Die Zahlen sind allerdings je nach Ländern sehr unterschiedlich.
So wie Krebs, seine Ursachen und Heilungschancen ein breites Feld sind, mit vielen, manchmal fadenscheinigen, Ideologien durchsetzt und von ständigem Wandel durch neue Therapien gekennzeichnet, ist auch die Ernährung ein unendlich großer Markt des Glaubens und der Behauptungen. Auch hier mischt der Kopp-Verlag mit.
Ich habe mir nach dem Zufallsprinzip vier Bücher aus dem Repertoire „Medizin & Gesundheit“ beim Kopp-Verlag bestellt und näher angeschaut. Ich beginne meinen Weg der Erkenntnis mit „Die magische Knochenbrühe“ für 12,95€.
Es handelt ist um einen Ernährungsratgeber mit Rezepten und ist ein Eigenprodukt des Kopp-Verlages. Eingangs wird in dem 160 Seiten umfassenden Buch darauf hingewiesen, dass „alle Angaben ohne Gewähr“ erfolgen. „Weder Autoren noch Herausgeber können für eventuelle Nachteile und Schäden, die aus dem Buch gemachten praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.“ So etwas habe ich bislang noch nie in einer einschlägigen Publikation gelesen.
Ich liebe populäre Ratgeber. Sie vermitteln auf unterhaltsame Art Wissen und haben einen schnellen Praxisbezug. „Die magische Knochenbrühe“ von Constanze Eschbach passt in diese Kategorie. Bereits im Vorwort erfahre ich, dass Knochenbrühe eine ihrer täglichen „Flüssigkeitsspender“ sei, noch vor dem ersten Morgentee. Frau Eschbach „entschlackt“ damit im Frühling, befreit sie von ihrer „Schnupfennase“, vertreibt ihre Rückenschmerzen und hat sie bislang sogar vor Cellulite bewahrt. Hier wäre bereits die zweite gute Möglichkeit, das Buch ins Altpapier zu geben. Aber ich habe mir vorgenommen, zu argumentieren.
Kann der Körper entschlacken?
Schlacke ist eigentlich ein Verbrennungsrückstand. Hier jedoch wird Schlacke als Giftstoff und schädlicher Stoffwechselrückstand verstanden. Unbestritten ist: Der menschliche Körper scheidet Urin und Kot aus. Magen, Darm, Niere, Galle und Leber sind die zentralen Organe, um das herbeizuführen. Die Vorstellung, dass im Körper weitere Giftstoffe enthalten sind, von denen er sich durch bestimmte Ernährungs- oder Verhaltensformen wie Fasten oder Schwitzen entschlacken kann, begründen viele naturmedizinische Therapien. Die Bösewichte heißen zum Beispiel Cholesterin oder Kalk. Oder bestimmte Proteine. Von der wissenschaftlichen Medizin, die häufig als Schulmedizin verunglimpft wird, sind als Schlacke so genannte „ausscheidungspflichtige Substanzen“ anerkannt, die beispielsweise über eine Dialyse oder einen Aderlass ausgeschieden werden können. Im Fazit aber kann/muss man festhalten: Erfolgsmeldungen von Entschlackungsmaßnahmen basieren immer auf persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen, Halbwissen sowie cleveren Marketingstrategien.
Was hilft wirklich gegen Schnupfen?
Knochenbrühe wird oft als „Superfood“ gepriesen, das gegen Entzündungen wirkt – aufgrund des beim Kochen herausgelösten Knochenmarks. Wem eine heiße Brühe bei einem viralen Infekt gut tut, wird im Bekanntenkreis oder auf Facebook immer gern verbreiten, dass sie hilft. Ich trinke auch Hühnerbrühe, wenn ich erkältet bin. Vor allem das Salz darin schmeckt und tut mir dann besonders gut. Wissenschaftliche bewiesen ist der Erfolg von Brühe bei Infekten aber nicht. Es bleibt – beim subjektiven Gefühl. Was manchen dann knapp 13 Euro wert sein könnten, die sie in dieses Buch investiert werden. Kopp sei Dank. Hilfreich bei Schnupfen sind übrigens (kostenlose) Dampfbäder, Inhalieren, heiße Getränke, salzhaltige Nasensprays und – nicht zu unterschätzen – eine erhöhte Schlafposition sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Was hilft bei Cellulite?
Nichts. Ich könnte es dabei belassen, begründe aber mein vorweggenommenes Fazit. Cellulite ist eine „konstitutionell bedingte, nicht entzündliche Veränderung des Fettgewebes im Oberschenkel- und Gesäßbereich von Frauen. Die dellenförmige Hautoberfläche erinnert an die Oberfläche einer Orange.“ (Wikipedia)
Bei Übergewicht oder schwachem Bindegewebe tritt sie bereits in jungen Jahren in Erscheinung. Ich weiß, wovon ich rede, ich hatte beides. Das machen sich Frauenzeitschriften seit Jahrzehnten zu Nutze. Alle Jahre wieder. Und die Verkaufszahlen gehen jedes Mal hoch, wenn „25 Tipps gegen Cellulite“ auf dem Titel stehen – mitsamt einer jungen Frau, die dank eines Bildbearbeitungsprogrammes falten- und cellulitefrei ist. Auch der Kopp-Verlag verdient mit seinem 12,95-Euro-Büchlein an dem Wunsch der Frauen, schön auszusehen. Angeblich soll Kollagen helfen, die Haut wieder glatt zu bekommen oder gar nicht erst schrumpelig erscheinen zu lassen. Es ist ein Protein, das im menschlichen Körper, genauer gesagt im Bindegewebe, enthalten ist. Und nun ist es die Stiftung Warentest, die diesen Traum schonungslos platzen lässt: „Irgendwann trifft es jede“, bilanziert sie nach einem umfangreichen Test von zehn Anti-Aging-Produkten.
Um auf “Die magische Knochenbrühe“ zurückzukommen: Der menschliche Stoffwechsel ist komplizierter, als der Kopp-Verlag Glauben machen will: Man kann nicht einfach mal ein paar Liter Knochenbrühe schlürfen und damit die Kollagen-Depots wieder auffüllen. Die im Darm enthaltenen Enzyme zerlegen nämlich die Brühe zu Aminosäuren – und leitet die dann überall hin in den ganzen Körper, nicht etwa nur gezielt unter die Schrumpelhaut. Außerdem stellt der Körper Kollagen selbst her und benötigt gar keine ergänzende Zufuhr von außen. Frau Eschbach behauptet in dem Buch jedoch das genaue Gegenteil: „Knochenbrühe trägt entscheidend dazu bei, dass wir fit und biegsam (!) bleiben.“
Schadet es, das Buch zu kaufen?
Wer zu viel Geld im Portmonee hat, kann es sicher sinnvoller ausgeben, als sich „Die magische Knochenbrühe“ zu kaufen. Wer Interesse an neuen Gerichten hat, etwa „Schmorhähnchen mit Pilzen“, „Enten mit gebratenen Feigen“ oder „Eier in Kartoffelsauce“, findet hier eine Auswahl an Rezeptideen. Nährwertangaben wie auch die Zubereitungszeit fehlen allerdings. Mir erschienen sie jeweils ziemlich kalorienreich zu sein. Und wohin Übergewicht führt, wissen wir ja …