Der § 219a StGB steht auch in der juristischen Kritik

Kristina Hänel und Dörte Frank-Boegner (Vorsitzende pro familia Bund) ©keartus

veröffentlicht im pro familia Magazin 1/2020

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Erneut musste sich das Landgericht Gießen mit der Strafsache Hänel befassen. Die Allgemeinmedizinerin war 2017 zu 6.000 Euro Strafe verurteilt worden, weil sie auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis informiert. Denn das ist gemäß § 219a StGB verboten. Anlass des erneuten Termins war die Reform des § 219a StGB im Frühjahr 2019. Seitdem dürfen Ärzt*innen auf ihrer Website zwar bekannt geben, wenn sie Abbrüche durchführen – aber ohne jede weitere Information. Das OLG Frankfurt wies das Landgericht Gießen daher an, Kristina Hänels Informationsverhalten aufgrund der Reform neu zu bewerten.

Die Richterin äußerte sich einerseits kritisch: Die Reform des 219a haben zu mehr Unklarheiten geführt und sei zu schnell gestrickt worden. Es sei zu Fehlern dabei gekommen. Zuvor hatte Hänels Verteidiger dargelegt, dass der 219a keinen Fötus vor einer konkreten Gefährdung schützen würde, sondern nur abstrakt, was allerdings rechtsdogmatischer Unfug sei. Zudem würden ärztliche Berufsrechte verletzt und daher müsse das Bundesverfassungsgericht den 219a bewerten und das Landgericht die Sache direkt in Karlsruhe vorlegen. Da außerdem Europarecht berührt sei, könne das Verfahren auch ausgesetzt und zunächst eine Meinung des Europäischen Gerichtshof eingeholt werden. Richterin wie Staatsanwalt wollten sich allerdings nicht durchringen, den Vorschlägen der Verteidigung zu folgen, sondern lediglich den Straftatbestand überprüfen. Und so bestätigte die Kammer, dass Hänel gegen § 219a StGB verstoßen habe und senkte nur das Strafmaß auf 2.500 Euro ab.

Zeitlich nahezu parallel standen die Frauenärztinnen Bettina Gaber und Verena Weyer in Berlin vor Gericht. Ihr Vergehen: Der Satz „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen.“ auf ihrer Website. Ihr Strafmaß: 2.000 Euro. Außerdem wurde die Entscheidung rechtskräftig und damit der Weg zum Bundesverfassungsgericht frei. Denn dahin wollen Gaber wie auch Hänel: „Sonst hat das ja alles nichts gebracht“, sagte die Berlinerin der taz, und hat mittlerweile Beschwerde in Karlsruhe eingereicht.

Dass die Reform des 219a offenbar juristischer Humbug gewesen ist, haben die beiden Urteile in Gießen und Berlin gezeigt. Weder wurde Rechtsfrieden hergestellt noch den Feinden körperlicher und sexueller Selbstbestimmungsrechte von Frauen Einhalt geboten: Abtreibungsgegner K. G. Annen (Babycaust) hat die neue zentrale Liste, die auf der Website der BZgA familienplanung.de steht, kopiert und im Internet einen neuen Pranger für Ärzt*innen geschaffen. Mit blutigen Bildern und wirren Aussagen „garniert“. Es wäre allein schon deswegen geboten, dass Justizministerin Christine Lambrecht endlich die Initiative ergreift und den 219a zur Streichung im Bundestag beantragt.

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