(Zu) Späte Aufarbeitung

veröffentlicht in publik 1/2020

bauer media group – Lange blieb im Verborgenen, dass die Bauer-Verlagsgruppe von Anfang an die NSDAP mit ihren Zeitschriften, Groschenromanen und mehr unterstützt, sich an jüdischem Eigentum bereichert hat und das bis in die Nachkriegszeit hinein. Jetzt ist der Verlag mit seiner Vergangenheit konfrontiert

„Alfred Bauer … prägte mit seinem verlegerischen Instinkt, wirtschaftlichem Wagemut und Energie die erfolgreiche Entwicklung der Unternehmensgruppe … Seine Leistung und Einsatzfreude wird uns allen Vorbild sein in dem Bemühen, sein Werk in seinem Sinne fortzusetzen“, hieß es in der Mitteilung an alle Bauer-Beschäftigten im Mai 1984, mit der das Management über den Tod des Verlegers informierte. Es sind Worte, die in dieser Form heute vermutlich nicht mehr geschrieben würden. Denn Alfred Bauer, geboren 1898, war NSDAP-Mitglied. Sein Unternehmen beteiligte sich – wie andere auch – an der von den Nationalsozialisten betriebenen sogenannten „Arisierung“. Historiker sprechen rückblickend auch von „Raubkauf“.

Bauers Vermögensentwicklung und die seines Vaters Heinrich bis 1945 wurde durch Umsatzwachstum beim Zeitschriftenverkauf und dem Kauf von Immobilien ehemals jüdischer Besitzer bestimmt. Damit wurde der Grundstock für das spätere verlegerische Agieren gelegt: Für die Finanzierung des Neubaus im Hamburger Kontorhausviertel wurde auch gekauftes jüdisches Eigentum herangezogen.

Die braune Vergangenheit der Bauer Media Group wäre vermutlich weiter verborgen geblieben, wäre der Konzern nicht durch das NDR-Magazin ZAPP und das Wochenmagazin Der Spiegel Mitte Januar 2020 damit konfrontiert worden. Dabei waren die Dokumente, die das Nazi-Erbe belegen, jederzeit in Archiven in Berlin und Hamburg öffentlich zugänglich. Sie zeigen, dass die Bauers in der NS-Zeit Zeitschriften verlegten oder sich an Reedereien wie beispielsweise an Hussmann & Hahn in Cuxhaven beteiligten, die zwischen 1937 und 1939 Schiffe mit Namen wie „Gauleiter Förster“, „Gauleiter Telschow“, „Gauleiter Bürkell“ und „Gauleiter Böhle” vom Stapel ließen.

Die Einnahmen durch Immobilienkäufe von jüdischen Eigentümer*innen resultierten aus dem menschenverachtenden, verbrecherischen Ziel der Nazis, Deutschland zu „arisieren“. Menschen jüdischer Abstammung wurden zunächst enteignet. Aus den Unterlagen ergibt sich, wie die Heinrich Bauer ohg dadurch ihr Eigentum vergrößerte – Geschäfte und Grundstücke von Juden mussten nach Einschätzung der Historikerin Jessica Erdelmann deutlich unter ihrem Wert veräußert werden.

So auch eines von Paul Dessauer. „Um seine Ausreise finanzieren zu können, hatte Dessauer Ende 1938 sein Grundstück im Stadtteil Eppendorf verkaufen müssen, inklusive des dazugehörigen Textilkaufhauses Hoheluft“, heißt es im Spiegel. Und er verkaufte auch sein Haus in der Hoheluftchaussee 93 an Alfred Bauer. Er verkaufte unter massivem Druck, denn anschließend wurde er für sechs Monate wegen – so das Urteil der Nazis – „Rassenschande“ im Konzentrationslager Oranienburg inhaftiert und mit der Auflage vorzeitig aus dem KZ entlassen, das Deutsche Reich umgehend zu verlassen.

Nach dem Krieg freigekauft

Dessauer emigrierte 1940 in die usa, seine Schwiegereltern, Minna und Mayer Littmann, überlebten hingegen nicht: Sie wurden nach Theresienstadt deportiert. Minna starb 1942 im Ghetto. Mayer Littmann wurde 1943 in Auschwitz ermordet.

Aber als Dessauer laut Spiegel „nach dem Krieg aus New York die Wiedergutmachung betrieb, stellte sich Bauers Anwalt erst einmal stur: Der damals vereinbarte Preis – 90.000 Reichsmark auf dem Papier – sei ,angemessen‘ gewesen, schrieb er. Im Zuge seiner Entnazifizierung ließ Alfred Bauer sich sogar bestätigen, die Notlage der jüdischen Auswanderer nicht ausgenutzt zu haben. Seine Zeugen waren sein Wirtschaftsprüfer und sein Hausverwalter.“ Am 30. Juni 1952 kam es zu einem Vergleich vor Gericht: Paul Dessauer erhielt von Alfred Bauer insgesamt eine Entschädigung in Höhe von 54.000 Mark. Er hatte nicht mehr lange etwas davon: Nur ein Jahr später starb er an den Folgen einer schon länger andauernden Erkrankung.

Bei den verlegerischen Aktivitäten pass-ten sich die Bauers dem Regime an, bedienten mit gefälligen Publikationen. Unter anderem erfüllte die „Funk-Wacht“ einen für die Nazis äußerst nützlichen Zweck: Sie unterhielt die Menschen, wäh- rend der Terror in Deutschland regierte, Juden und anders Denkende verfolgt wurden, Homosexualität mit Gefängnis und Kastration bestraft werden konnte, Deutschland 1936 zunächst das Rheinland, 1938 dann Österreich besetzte, 1939 Polen niederbrannte, in die Tschechoslo- wakei einmarschierte, und später die Benelux-Länder wie Frankreich überfiel. Die „Funk-Wacht“ zeigte unterdessen auf ihren Titelseiten Landschaftsmotive wie vom Strand auf Rügen, oft wurden aber auch Hitler und andere Nazi-Größen abgebildet. Die Kriegsmarine wurde gelobt, die Wehrmacht als starke Truppe idealisiert. Die angebliche Überlegenheit des Deutschtums schlug sich in Kurzromanen in der „Funk-Wacht“ nieder.

Nun soll die Geschichte aufgearbeitet werden, hat das Unternehmen verkündet. Aber wie und in welchem Umfang ein oder eine Historiker*in eingesetzt werden soll, ist bislang nicht geklärt. So etwa, ob er oder sie etwa auch die Zeit nach 1945 erforschen kann: Denn nach dem Krieg fanden NSDAP-Mitglieder schnell wieder Anstellungen, auch als Redakteure. Zum Beispiel in der „Neuen Funk-Wacht” nach 1949, ist in dem 1993 erschienenen Buch von Thomas Bauer „Programmpresse 1923 – 1941“ zu lesen.

Von Gewerkschaften nie viel gehalten

Aber aus weiteren Gründen ist es wichtig, umfassend aufzuarbeiten: Eine Lehre aus dem Faschismus sind auch das Betriebsverfassungsgesetz und die Koalitionsfreiheit wie das freie Zutrittsrecht der Gewerkschaften in den Betrieb. Und das Bauer-Management hat immer gezeigt, dass es davon nicht viel gehalten hat: Das Unternehmen wurde seit Anfang der 1990er Jahre systematisch in kleinste, tariflose Gesellschaften aufgespalten, den Betriebsräten die Freistellungen und damit ihre Wirkmächtigkeit genommen. Gehälter, Urlaubstage, Kündigungsfristen wurden abgesenkt, und Betriebsratswahlen dadurch verhindert, indem kurz vor den Wahlterminen mehrmals Ausgründungen erfolgten. Diese Zusammenhänge müssen erforscht werden.

Das andere ist die publizistische Seite: Der Konzern hatte seit 1970 den Kriegsgroschenroman „Landser“ herausgegeben und nach heftiger Kritik zunächst weiterhin verteidigt, sogar ein eigenes Gegengutachten erstellen lassen – von einem Fregattenkapitän a. D., der als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Militär- geschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr tätig gewesen war. Zuvor hatte der Historiker und Journalist Stefan Klemp im Auftrag des Simon Wiesenthal Centers den Landser untersucht und festgestellt, dass darin die Waffen-ss und Kriegsverbrecher verherrlicht und verharmlost wurden, der Vernichtungskrieg des NS-Regimes hingegen ausgeklammert.

Auch mit dem Vertrieb des kleinauflagigen Magazins Zuerst, das von dem Neonazi Dietmar Munier herausgegeben wird, hatte Bauer Geschäfte gemacht und sich ebenso geweigert, das vermutlich nicht einmal sehr ertragreiche Geschäft zu beenden. Es ging offenbar auch ums Prinzip nach dem Motto: Kleinvieh macht auch Mist.

Jahrelang wirkte zudem der rassistisch agierende Chefredakteur Jürgen Köpcke bei der Softporno-Postille „Praline“. Er hetzte neben Texten über „Sexualbräuche der Naturvölker“ auch regelmäßig gegen Ausländer. Erst nachdem es 1992 zu dem Mordanschlag in Mölln kam – direkt davor hatte es einen Hetz-Kommentar gegeben: „Jetzt wollen wir Taten sehen, Schein-Asylanten nach Haus, aber schnell“ – stoppte Heinz Bauer dessen Agieren. Vermutlich aber auch nur deswegen, weil Teile der Belegschaft protestierend vorm Haus gestanden hatten und andere Medien darüber berichteten.

Offen steht zudem noch, ob und wie sich der Konzern und die Familie verantworten werden: Was wird zurückgegeben? Erfolgt Wiedergutmachung? Die Öffentlichkeit sollte dies aufmerksam verfolgen und einfordern. Denn nur das kann diese Familie bewegen. Und die Gefahr von Umsatzeinbußen. Das war – leider – auch schon immer so.

Direkt aus dem Briefkasten geholt – die Publik 1/2020

 

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