Als er zu lebenslänglich verurteilt wurde, wurde ich geboren. Als er freikam, war ich erwachsen. Wie fast kein anderer Mensch hat Nelson Mandela meinen politischen Weg geprägt. Ich habe den bewaffneten Kampf des ANC in Südafrika unterstützt, denn der ANC sah keinen anderen Ausweg mehr für die unterdrückte Mehrheit des Landes, die Menschenrechte zurückzuerlangen. Ich habe für die Freilassung von Nelson Mandela gekämpft, den die Rassisten 27 Jahre lang weggesperrt hatten. Ich habe keine Früchte aus Südafrika gekauft und gegessen, denn der ANC hatte aufgerufen, Importe aus Südafrika zu boykottieren.
Nelson Mandela steht für viele Menschen, auch für mich, als Symbol gegen Unterdrückung und gegen Rassismus. Er hat sich nie gebeugt. Mehrfach hatte ihm das rassistische Apartheitsregime Südafrikas die Freilassung angeboten, aber nur, wenn der ANC auf Gewalt verzichten würde. Nelson Mandela verzichtete – natürlich – nicht.
Er bekämpfte zusammen mit dem ANC dieses verbrecherische Regime, dass Menschen nach ihrer Hautfarbe trennte; dass sexuelle Kontakte zwischen den von ihnen definierten Rassen verbot und den gemeinsamen Schulbesuch aller Kinder; dass schwarze Menschen in Reservate verbannte; dass selbst das Sitzen auf Bänken nur für Weiße, für Farbige und für Schwarze getrennt erlaubte und für nichtweiße Menschen separate Abteile in öffentlichen Verkehrsmitteln vorsah.
Wer heute den Kampf Nelson Mandelas gegen Rassismus würdigt und seinen Tod betrauert, muss auch sagen, dass das Unrechtsregime in Südafrika jahrzehntelang von vielen Ländern unterstützt wurde. Auch von dem Land, in dem wir leben.
Südafrika war eben nicht isoliert mit seiner Politik. Die USA unterstützten das Regime offen und legten mehrfach ihr Veto im UN-Sicherheitsrat ein, um Wirtschaftsblockaden gegen Südafrika zu verhindern. Die Bundesrepublik Deutschland förderte wirtschaftliche Kontakte. Auch der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt gehörte dazu. Offen unterstützte Franz-Josef Strauss das Regime.
Die Bundesrepublik Deutschland galt sogar als wichtigster Direktfinanzierer der Rassisten. Deutsche Banken haben den Rassismus unterstützt. Rheinmetall und Daimler lieferten Rüstungstechnik. Mehrfach wurde die Bundesrepublik wegen ihrer Unterstützung des Apartheid-Systems durch Rüstungsexporte nach Südafrika in der UNO angeklagt.
Die USA setzte Nelson Mandela, als Ronald Reagan Präsident war, als Terrorist auf eine Watch-List. Auch die britische Premierministerin Margarete Thatcher nannte ihn einen Terroristen.
Der Boykott südafrikanischer Produkte und die Unterstützung des bewaffneten Kampfes war für Millionen Menschen das notwendige Gegengewicht, um Widerstand auszudrücken und Solidarität zu zeigen.
Sein letzter großer Kampf galt HIV/Aids. Diesen hat er nicht gewinnen können. Auch einer seiner Enkel starb daran. Südafrika gehört zu den Ländern mit den höchsten Aids und HIV-Raten. Ein Drittel aller Mädchen im schulpflichtigen Alter ist HIV positiv. Unter anderem gilt der Glaube unter älteren Männern, dass das Schlafen mit einer Jungfrau sie von Aids und HIV heilen könnte.
Nelson Mandela wird mich immer mahnen, konsequent für die eigenen Ideen einzutreten. Er hat ein beeindruckendes Leben gelebt und ich wünschte, sein Leben würde in allen Schulen gelehrt.