In einem Alter von knapp 23 Wochen kann ein Mensch schon ziemlich viel. Er kann sehr deutlich ausdrücken, was er möchte, wobei er sich auf fundamentale Forderungen konzentriert. Eine Eigenschaft, die den meisten Menschen im Laufe ihres Lebens verloren geht. Aber dennoch: Auch wenn sich das fürsorgende Umfeld sehr darum bemüht, allen Anforderungen gerecht zu werden, so ist der kleine Mensch vor allem damit beschäftigt, sich selbst zu fordern.
Mein Enkel dreht sich seit Kurzem um. Und heute, während einer mehrstündigen Babysittereinheit bei uns Zuhause, hat er es wieder getan. Mehrfach. Mit Lust. Schwupp.
Wir haben eine große Decke auf den Fußboden gelegt, das sah ein bisschen wie Picknicken aus. Alle drauf, auch die Katze. Sie erwartete, dass Leckeres ausgepackt wird. Das passierte aber nicht und vor Aufregung und Ärger kroch sie unter die Decke, nicht ohne vorher das Babys abzuschnüffeln. Seine Bewegungen fand sie nicht vertrauenserweckend und verzog sich auf die Sofalehne. Dort war sie damit beschäftigt, den Überblick zu behalten.
Alles an dem Kind ist in Bewegung. Die Augen blicken nach jedem Geräusch. Die Arme rudern. Jeder einzelne Finger wird gespreizt, gebeugt, dann ballt sich eine Faust, dann verknoten sich die Händchen ineinander, dann wandert ein Finger in den Mund. Die Beine strampeln – strecken, stoßen, auf und ab. Mit den Füßen haut er immer wieder auf den Boden – dass ihm das gar nicht weh tut?
Das Greifen ist schon sehr gezielt. Am leichtesten geht das auf dem Rücken liegend, dann muss man sich nicht abstützen und kann die Arme frei bewegen.
Auf dem Schoß seines Opas bekommt er eine Trinkjoghurtflasche zum Greifen und nuckelt daran (Natürlich ist sie geschlossen, denn er ist ja noch viel zu klein für Kuhmilch). Die Hände umgreifen die Flasche, wir hören starke Sauggeräusche, Babysabber läuft herunter. Der Opa nimmt die Flasche ein wenig zur Seite. Das gefällt dem Lütten gar nicht! Er kriegt sie zurück.
Wieder auf der Decke liegt er auf dem Rücken. Der kleine Körper bewegt sich mit den nur scheinbar unkoordiniert zappelnden Gliedmaßen mit. Sie nehmen gewissermaßen nur Anlauf für die große Aktion. Die Schultern bewegen sich, der Hintern kommt dazu – und dann hat sich das ganze Kind mit einem Mal umgedreht! Da liegt es nun auf dem Bauch. Die Lage ist interessant, denn aus dieser Perspektive kann es neue Sachen sehen. Es kullert nach einiger Zeit ausgeglichen in die Rückenlage.
Es sind Meilenschritte in diesen ersten Lebensmonaten und sie sind spannend. Nie wieder hat ein Mensch solche Entwicklungsschübe. Mit jeder neuen Fähigkeit wächst die Lust, das nächst Erreichbare auszuprobieren. Es ist wohl eine natürliche Neugierde, die ein Kind befähigt, immer das nächste nach dem gerade eben Errungenem in Angriff zu nehmen. Aus Greifen wird Festhalten, aus Zappeln wird Schwung nehmen, und daraus wird ein zufälliges, dann etwas sich immer wiederholendes, letztlich ein gezieltes Umdrehen. Daraus wird Selbstständigkeit. Mein Enkel wirkt zufrieden mit dem heute Erreichten. Deine Mutter, denke ich mir so, wurde als Kleinkind immer gern wütend, wenn ihr kluger Kopf weiter dachte als der dumme Körper konnte …
Um 21 Uhr holen ihn seine Eltern ab. Eingeschlafen ist er nicht, das macht sie froh, das erhöht die Chance auf eine längere Schlafphase. Wir packen die ausgebreitete Decke zusammengeschlagen zurück. Die Katze bekommt endlich ein Abendessen.