Warum der 8. März ein Feiertag werden muss

Clara Zetkin

veröffentlicht in DISPUT, Mitgliedermagazn DIE LINKE; Februar 2018

Die halbe Menschheit wird wegen ihres Geschlechts diskriminiert – trotz Wahlrecht und Gleichstellungsgesetzen, trotz Gewaltschutzkonzepten und Quotenregelungen. Aber um die größte Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, werden nur halbherzig und mit ebenso halben Verstand Maßnahmen ergriffen; Eigentums- und Machtverhältnisse zu wenig hinterfragt; der strukturelle Sexismus nicht bekämpft.

Zudem sind Rückschritte erkennbar. Dass es seit 20 Jahren nicht mehr so wenige weibliche Abgeordnete im Deutschen Bundestag gegeben hat wie nach den Wahlen im September 2017, macht beispielhaft deutlich, dass patriarchale Mauern ihre Wirkungsmacht immer noch besitzen. Wie Brecht einst treffsicher schrieb: Sicher ist, dass nichts sicher ist. Denn es wird weiter gehen: Rechtsradikale und Evangelikale ideologisieren mit Begriffen wie „Gender-Wahn“, „Babycaust“ und „Feminazismus“ gegen Freiheitsrechte von Frauen und deren Selbstermächtigung.

Kann ein Feiertag am 8. März beitragen, die Gesellschaft geschlechtergerechter zu machen? Feiertage sind gesetzliche arbeitsfreie Festtage, die Ereignisse von hohem Rang würdigen. Eine derartige Stellung haben Frauenbewegungen, Aktivistinnen und Frauenrechte bislang nicht. Die Geschichte des Frauentages, die bisherigen Errungenschaften und die Leistungen vieler Feministinnen aller politischen Milieus und weltanschaulicher Richtungen verdienen es aber, durch einen Feiertag beachtet zu werden: Es geht hierzulande um über 40 Millionen, weltweit um über dreieinhalb Milliarden Menschen, für die viele Rechte immer noch nicht selbstverständlich sind.

Ein Feiertag am 8. März hätte eine starke Symbol- und Signalwirkung: Frauenrechte würden ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Politik und Bevölkerung rücken. Wie der internationale Tag der Arbeit die Bedeutung von Verteilungskämpfen im Kapitalismus hervorhebt, würde ein feministischer Feiertag Aktivistinnen und ihre Kämpfe würdigen, an das Erreichte erinnern und das Ausstehende anmahnen – und auch die an Frauen begangenen Verbrechen – Arbeitsverbote, Unterbezahlung, Femizide, Genitalverstümmelungen, häusliche Gewalt, Abtreibungsverbote, geschlechtsspezifische Kriegsverbrechen und Menschenhandel.

Der Kampf für einen Feiertag am 8. März steht zutiefst für die internationalistische, proletarische und feministische Geschichte unserer Partei: Als historische Wurzel für die Entstehung des 8. März gelten die Proteste New Yorker Arbeiterinnen, die erstmals 1857 auf die Straße gingen und gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen und für gleichen Lohn demonstrierten. Fünfzig Jahre später, am 8. März 1908, traten Tabak- und Textilarbeiterinnen in den Streik und protestierten für bessere Arbeitsbedingungen, für ein Frauenwahlrecht, für kürzere Arbeitszeiten und höhere Löhne. Die deutsche Sozialistin Clara Zetkin setzte auf der zweiten internationalen sozialistischen Frauenkonferenz 1910 den Antrag durch, einen internationalen Frauentag ins Leben zu rufen. Am 8. März 1917 streikten in St. Petersburg Textilarbeiterinnen. In Erinnerung daran setzte 1921 die 2. Internationale Konferenz der Kommunistinnen den 8. März als einheitliches Datum für den Internationalen Frauentag fest. 1975 wurde er von der UNO zum internationalen Frauentag deklariert.

Im Wahlprogramm der LINKEN zu den Bundestagswahlen 2017 heißt es: Weltweit kämpfen Frauen nach wie vor um die völlige Gleichstellung. … Um diesen Kämpfen eine besondere Würdigung zu verleihen, aber auch unseren Vorkämpferinnen und Vorkämpfern zu gedenken, wollen wir den 8. März als gesetzlichen Feiertag!

Ich stelle mir einen Feiertag am 8. März so vor: Festakte in Parlamenten, Demonstrationen auf der Straße, Frauenwochen in Städten und Kommunen, Projekttage in Kitas und Schulen, Andachten auf Friedhöfen und Ehrenhainen, Partys in Clubs und Hallen, Filme auf allen Kanälen wie „Grüne Tomaten“, „We Want Sex“, „Töchter der Erde“. Eine lohnenswerte Perspektive – nicht wahr? Es ist unser Auftrag.

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