Jedes Jahr demonstrieren Menschen am 28. September in Lateinamerika und feiern, in Freiheit geboren worden zu sein. Warum eigentlich am 28. September? An diesem Tag hatte das brasilianische Parlament im Jahr 1871 verfügt, dass jedes Kind frei geboren ist – ein wichtiger Baustein zur Abschaffung der Sklaverei. Dies schloss das Recht auf Zugang zu legalen, sicheren Schwangerschaftsabbrüchen mit ein.
Der Safe Abortion Day, Tag der sicheren Schwangerschaftsabbrüche, wurde 1990 in San Bernardo, Argentinien, auf einem feministischen Treffen mit Delegierten aus der Karibik und Südamerika auf Antrag der brasilianischen Delegation ins Leben gerufen. Im Jahr 2011 erklärte das Globales Frauennetzwerk für reproduktive Rechte (Women’s Global Network for Reproductive Rights, WGNRR) den 28. September zum internationalen Tag.
Seit einigen Jahren finden auch auf anderen Kontinenten und in vielen Ländern Proteste und Aktionen am 28. September statt. In Deutschland fordern jährlich über 60 regionale Bündnisse für reproduktive, sexuelle und körperliche Selbstbestimmung, aber auch Familienplanungszentren, Pro Familia das Menschenrecht auf freie Entfaltung der Sexualität und Familienplanung ein. Es muss verbindlicher Teil der Gesundheitsvorsorge sein und ist Kernelement bei der Gleichstellung der Geschlechter.
Dazu gehört die Legalisierung von Abtreibungen und dass entsprechende Strukturen geschaffen werden, sie vornehmen zu lassen. Deutschland entspricht diesen Anforderungen nicht.
Hauptursache ist der § 218, der seit über 150 Jahren im Strafgesetzbuch steht. Er stellt nicht nur Abtreibungen unter Strafe; seine Existenz führt dazu, dass sie von viel zu wenigen Ärzt:innen durchgeführt und bis heute nicht angemessen in der medizinischen Ausbildung gelehrt werden. Sie werden zudem schlecht vergütet und sind für niedergelassene Ärzt:innen nicht sonderlich attraktiv.
Die andere Ursache sind die Verflechtungen der Kirchen mit den Regierungen und die Privatisierung der Krankenhäuser zu immer größeren Klinikkonzernen: So berufen sich Politiker:innen, die gegen legale Abtreibungen sind, auf willkürlich und religiös abgeleitete Definitionen von „werdendem Leben“ – die sich im Laufe der Jahrhunderte auch immer wieder geändert haben. Und es führen Krankenhäuser, an denen die Caritas beteiligt ist, keine Abtreibungen durch – selbst wenn sie den staatlichen Versorgungsauftrag sicherstellen, und von den Landesregierungen hohe Investitionskostenzuschüsse dafür erhalten. Auch andere private Klinikkonzerne bieten keinen Abtreibungen an.
Nötig wären daher:
- Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch herauszunehmen und dass deren Kosten von den Krankenkassen übernommen werden.
- Kostenlose Verhütungsmittel und das Recht auf gute Beratung, damit sie richtig und so effektiv wie möglich angewendet werden.
- Die Pflicht von Krankenhäusern mit staatlichem Versorgungsauftrag, Abtreibungen durchzuführen, und dafür geeignete personelle, räumliche und medizinische Kapazitäten vorzuhalten, die sich an der Einwohnerzahl eines Bundeslandes bemessen, bzw. auf Grundlage der Metropolfunktion großer Städte.
- Freie Wahl von Ärzt:innen, die Abtreibungen durchführen sowie freie Wahl der Abtreibungsmethode – und die entsprechende Aufklärung darüber.
- Umfassende und fachlich angemessene Beratungsangebote für Menschen jeden Alters und in jeder Reproduktionsphase zur Familienplanung. Abschaffung der Zwangsberatung und der Fristen, die ebenfalls noch im Strafgesetzbuch stehen. Sexuelle Bildungsangebote von Anfang an – für Kinder, Eltern, Großeltern, Erziehungs- und Pflegepersonal.
Der internationale Tag für sichere Schwangerschaftsabbrüche ist notweniger denn je. Er ist ein Tag für Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. Der Safe Abortion Day ist auch Widerstandstag gegen die Feind:innen reproduktiver Selbstbestimmung: Abtreibungsgegner:innen sind antifeministische Demokratiefeinde, die Menschenrechte missachten.
Es geht ihnen nicht um den Schutz von Leben sondern um Dogmen. Ihr ideologisches Fundament begründet sich auf Gebärzwang, Entmündigung von Menschen und ist zudem häufig rassistisch und nationalistisch motiviert: Oft wird Angst vor dem Aussterben eines Volkes geschürt, während Zugewanderte, die mit vielen Kindern leben, ausgegrenzt und diskriminiert werden.
Sexualität muss genossen werden dürfen – zu jeder Zeit, in jedem Alter. Familienplanung muss individuellen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Staat und Gesellschaft haben die Voraussetzungen zu treffen, dass diese Freiheitsrechte, die wesentliche Aspekte von Gesundheit und Wohlbefinden sind, verwirklicht werden.