Meine Rede bei der DIDF und dem Bund der Migrantinnen am 8. März 2015:“Wenn wir zusammen gehen, kommt mit uns ein bessrer Tag. Die Menschen, die sich wehren, wehren aller Menschen Plag. Zu Ende sei, dass kleine Leute schuften für die Großen! Her mit dem ganzen Leben, Brot und Rosen!”
Brot und Rosen. Es war die Streikparole der 20.000 Textilarbeiterinnen in Massachusetts 1912. Sie stammt aus einer Rede der Gewerkschafterin Rose Schneiderman aus dem Jahr 1911. Daraus wurde ein Gedicht, und seit es 1978 von Peter Maiwald ins Deutsche übersetzt und neu vertont wurde, singt es auch die Deutsche Frauenbewegung.
Liebe Frauen, liebe Männer, liebe Kinder,
der Internationale Frauentag hat nichts von seiner Symbolik verloren. Seit über 100 Jahren feiern wir ihn und immer noch sind es die gleichen Forderungen, die uns dazu antreiben: Mindestlöhne, ein Acht-Stundentag und das Wahlrecht.
Ja, wir haben jetzt einen gesetzlichen Mindestlohn. Und, ja, wir haben auch Acht-Stunden-Arbeitstag. Und, ja, wir haben das Wahlrecht.
Aber wir haben diese Rechte nicht absolut. Der Mindestlohn beträgt nur 8,50 Euro und kann durch Ausnahmen und mangelnde Kontrollen unterlaufen werden.
Der Acht-Stunden-tag gilt für Millionen Menschen nur auf dem Papier, weil immer mehr Erwerbstätige Zweitjobs annehmen müssen.
Und das Wahlrecht: Wir haben es an der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft gesehen. Selbst Bürgerliche sagen, dass die Wahlen kein repräsentatives Ergebnis gebracht haben, weil in den armen Stadtteilen nicht zur Wahl gegangen wurde. Und Tausende Menschen, die in Hamburg leben, haben nicht gewählt, weil ihnen ihr Aufenthaltsstatus durch rassistische Gesetze das Wählen verbietet.
Liebe Frauen, liebe Genossinnen, liebe Freundinnen,
wir sind noch lange nicht gleichberechtigt. Wir verdienen im Schnitt 22 Prozent weniger Geld als die Männer. Wir sind in Aufsichtsräten eine absolute Minderheit, sind aber bei den prekären Arbeitsplätzen – in der Leiharbeit, bei den Teilzeit- und Minijobs – in der absoluten Mehrheit. Und wir haben eine eklatant niedrigere Rente und sind überproportional dem Pflegenotstand ausgesetzt.
Und wer trägt die Verantwortung dafür, dass uns Frauen noch lange nicht die halbe Welt gehört? Sind wir selbst Schuld, wie man uns einreden will, weil wir nicht so gut um unser Gehalt verhandeln können und nicht laut und aggressiv genug sind? Nein, das sind nicht die Gründe.
Und es ist im Übrigen auch Blödsinn, dass Katja Suding die FDP wieder in die Bürgerschaft gebracht hat, weil sie so gut aussieht. Sicher hat sie eine erfolgreiche PR-Strategie entwickelt, bei der ihre Person im Mittelpunkt stand. Aber das, liebe Anwesende, machen alle Parteien, auch mit ihren männlichen Kandidaten. Und: Angela Merkel ist auch nicht wegen ihres Aussehens Bundeskanzlerin geworden.
Die FDP ist deswegen wieder in der Bürgerschaft, weil es eine massive Unterstützung seitens der Handelskammer und der großen Hamburger Zeitungen gegeben hat. Die FDP ist nach wie vor wichtig für die Unternehmer. Sie waren sich trotz allen Lobes für den Bürgermeister nicht sicher, ob Olaf Scholz ihr Garant für Profite bleibt – vor allem nicht zusammen mit den Grünen, dem potenziellen Koalitionspartner der SPD hier in Hamburg. Die FDP wurde systematisch hochgeschrieben. Wer die Reden von Katja Suding in der Bürgerschaft verfolgt, hörte exakt die Handelskammer heraus. Wer nur auf ihr Äußeres schaut – was Männer ja sehr gut können und wir Frauen im Übrigen auch – hat nicht begriffen, dass diese Wahlen wirklich nicht repräsentativ waren.
Liebe Anwesende,
Es hat einen Grund, dass bereits Fünf- bis Neunjährige Mädchen sich als Wunsch Tierärztin, Kinderkrankenschwester, Lehrerin und Tierpflegerin aussuchen und an vierter Stelle als Traumberuf Model angeben. Während die gleichaltrigen Jungen Fußballspieler, Polizist, Pilot, Rennfahrer und Feuerwehrmann werden möchten. Wir werden nicht als Mädchen und Jungen geboren, wir werden dazu gemacht!
Sei es durch die rosa und hellblaue Farbenwelt, die in Spielzeugabteilungen und neuerdings auch immer mehr in Lebensmittelabteilungen mit großem Erfolg suggerieren, dass Mädchen und Jungen sich unterschiedlich verhalten und denken müssen. Die meisten Eltern merken nicht, dass sie Opfer einer Werbestrategie geworden sind.
Oder sei es – vor allem – durch die Jahrtausende alte Prägung weiblicher und männlicher Verhaltensweisen. Hier liegen die wahren Gründe, die uns Frauen den zweiten Platz in der Gesellschaft zuweisen – übrigens schon lange bevor es den Kapitalismus gab.
Oder sei es durch die nach wie vor unermesslich hohen Fälle an häuslicher Gewalt. Gewalt im Nahbereich ist aus meiner Sicht die Hauptemanzipationsbremse. Die Frauenhäuser sind nach wie vor überfüllt. Und es sind nicht etwa die älteren, vielleicht traditionelleren Männer, die zuschlagen. Nein, es sind alle Männer. Sie kommen aus jeder Altersgruppe, jeder Schicht, jedem Beruf, jedem Bildungsgrad. Es sind Arbeiter, es sind Professoren.
Eine Frau, die häusliche Gewalt erlebt, ist eingeschränkt. Sie ist in der Regel in der Gewaltspirale gefangen. Sie hat perfider Weise oft Schuldgefühle. Sie will nicht, dass ihre Kinder den Vater verlieren, wenn sie ihn verlässt oder ihn der Wohnung verweist. Ein Leben ohne Gewalt ist für sie nicht die Alternative.
Wenn wir am 8. März das Lied „Brot und Rosen“ singen, singen wir es für eine bessere Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die kein oben und unten kennt, die kein Gegeneinander der Geschlechter kennt, in der sich alle Menschen nach ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten frei entfalten können. Lasst uns diesen Tag mit Ehrfurcht vor den Kämpfen unserer Vorfahrinnen und Vorfahren begehen, an sie denken und dass wir jetzt die Verantwortung haben, diese Welt besser zu machen und irgendwann das Patriarchat zu überwinden. Auch in unseren Köpfen.
Hallo Kersten, die Rede gefällt mir sehr gut.Es ist leider wirklich so, dass Mädchen oder auch Jungs auch heute in eine Welt kommen , die von der Werbung und dem Umfeld so geprägt werden , das Rosa Mädchen und Jungen Blau sind. Erschreckend finde ich auch die Lebensmittelindustrie , die dieses immer mehr focieren.
Was hat es für Aufregung gegeben , als die Tochter von Brad Pitt in einem Anzug für “Jungens” auf dem roten Teppich erschien, alle Journalisten haben sich darauf gestürzt. Die wenigsten Frauen oder Mädchen schaffen leider auch heute noch nicht ihre Gehälter in der freien Wirtschaft auszuhandeln. Es ist noch viel zu tun, bleiben wir dran.
Liebe Grüsse Gerlinde