Bericht vom Frauenplenum
Viele Politiker und Politikerinnen und auch viele Medien haben mit einem Mal das Patriarchat entdeckt. Sie sorgen sich – angesichts der vielen jungen, männlichen, muslimischen Männer, die derzeit als Flüchtlinge in unser Land kommen – um die Sicherheit und Gleichberechtigung der deutschen Frauen.
Das ist nicht der Grund gewesen, warum sich das Frauenplenum mit der aktuellen Migrations- und Flüchtlingsbewegung befasst hat.
Wir sind vielmehr der Auffassung, dass linke Feministinnen und Sozialistinnen dringend ihre Position zur Flüchtlingsdebatte einbringen müssen. Wir, linke Frauen und Mitglieder der LINKEN, lehnen den so genannten Femi-Nationalismus ab. Er ist rassistisch motiviert. Er spaltet, und lenkt von den sozialen Ausmaßen und den Verursachern der Krise ab.
Wir haben auf dem Frauenplenum einen Text diskutiert. Er befasst sich mit weiblichen Flüchtlingen und Forderungen, um ihrer spezifischen Situation gerecht zu werden. Wir bitten diesbezüglich um besondere Aufmerksamkeit. Wir bitten auch darum, diesem Teil nicht nur zuzustimmen, sondern die Positionen auch aktiv und offensiv in Eurer politischen Arbeit zu leben.
Frauen und auch Kinder haben spezielle Gründe, die für sie besonderen Belastungen einer Flucht auf sich zu nehmen: Es sind häusliche Gewalt, Genitalverstümmelung, Vergewaltigungen als systematisches Kriegsverbrechen, Zwangsverheiratungen und Ehrenmorde.
Wenn diese Frauen in Deutschland ankommen, wird in völlig unzureichender Weise darauf Rücksicht genommen, welchen Restriktionen sie in ihrem Herkunftsland ausgesetzt gewesen sind. Sie haben andere innere Grenzen, als wir das aus unserer Lebensweise kennen. Die Geschlechterperspektive beim Umgang mit Flüchtlingen fehlt oft. So sind eigene Rückzugsräume und eigene Sprachmittlerinnen sehr wichtig. Konzepte der Gewaltprävention in Flüchtlingseinrichtungen und darauf hin geschultes Personal wären unabdingbar. Ebenso bedarf es einer angemessenen Kinderbetreuung. Frauen auf der Flucht haben oft kein Auge für ihre eigenen Bedarfe, sondern sehen nur ihr Kind, ihre Kinder. Das erschwert den Zugang der Hilfe und deswegen ist es wichtig, diese Frauen entsprechend zu entlasten.
Und bei der Integration geflüchteter Frauen ist darauf zu achten, dass sie vor prekärer Arbeit geschützt werden. Alle Film- oder Zeitungsbeiträge, die ich bislang zum Thema Flüchtlinge und Arbeit gesehen habe, bilden ausschließlich Männer ab. Indem geflüchtete Frauen in Bezug auf Arbeit unsichtbar bleiben, sind sie schutzlos Ausbeutern ausgeliefert. Beratungs- und Vermittlungsangebote der Arbeitsagenturen müssen daher für geflüchtete Frauen spezialisiert werden.
Weibliche Flüchtlinge erleben auch auf der Flucht Gewalt. Und sie erleben sie in den Unterbringungen hier, in denen sie sich eigentlich in Sicherheit fühlen sollten. Nur die wenigsten Fälle werden aktenkundig. Von Gewalt, auch sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen stehen nicht selten einem Vielfachen an so genannte Zeugen gegenüber, die das Gegenteil von dem behaupten, was der Frau wiederfahren ist. Frauen haben auch Angst, Anzeige zu erstatten, weil sie glauben, dann zurückgeschickt zu werden. Weil Vergewaltigungen in ihrem Kulturkreis als Schande erlebt wird. Es hilft nur eines: Frau müssen eigene Wohn- und Lebensbereiche erhalten, in dem sie geschützt leben kann. Das ist eine Minimalanforderung an die Behörden unserer Stadt, an das Deutsche Rote Kreuz, den Paritätischen, an fördern & wohnen.
Das ist das Mindeste, was zu tun ist, um der Not gerecht zu werden! Und ich bin beeindruckt, dass z.B. der Paritätische eine mobile Kita am Hauptbahnhof für die Ankommenden eingerichtet hat, in der sich Frauen und Kinder ausruhen und ablenken können. Danke dafür!
Rassismus und Sexismus haben die gleichen Strukturen. Es geht um Entrechtung, Entwürdigung, Gewalt. Flüchtlingsfrauen werden entweder vergessen oder es herrschen falsche Bilder über sie. Weil eben überwiegend Männer hierher flüchten. Da wird dann bei einer Frau zum Beispiel auch nur das Kopftuch gesehen und nicht der Mensch mit seiner Not, der dahinter steckt. Und es besteht eine große Unwissenheit darüber, dass auf der ganzen Welt zwei Milliarden Menschen unter Mangelernährung leiden und 70 Prozent davon weiblich sind. Das liegt daran, dass Frauen einer doppelten Diskriminierung aufgesetzt sind: Mädchen und Frauen müssen oft essen, was übrig bleibt, weil sie von Geburt an einen niedrigeren sozialen Status haben.
Auch Krankheiten wie Aids oder Malaria steigen in Bürgerkriegen immer an, überproportional sind Frauen betroffen. Viele Frauen stecken sich auch auf der Flucht mit HIV und anderen Virusinfektionen an – nicht selten durch sexualisierte Gewalt. Nicht selten müssen sie auch Schleuser mit sexuellen Demütigungen bezahlen.
Wir haben in Hamburg eigentlich ein gutes Hilfesystem. Es wird von Fachleuten ausgestaltet, die meiner Kenntnis nach ein großes, solidarisches Herz für geflüchtete Frauen haben. Beispielsweise gibt es einen Arbeitskreis Frauen und Aids, ein tolles Netzwerk, das sich auch um HIV-infizierte schwangere Flüchtlinge kümmert. Aber sie sind mit ihren Möglichkeiten auch an ihren Grenzen. Es fehlt an Zeit, es fehlt an Geld. Ein Kaiserschnitt kostet circa 3.500 Euro. Medikamente müssen spätestens ab der 24. Schwangerschaftswoche und auch danach zur Verfügung stehen.
Es kann nicht sein, dass die Fachleute – Beraterinnen, Hebammen, Frauenärztinnen und Chirurginnen–, dafür um Spenden betteln müssen, und es nach wie vor keine Selbstverständlichkeit ist, dass unmittelbare Hilfe erfolgt.
Ich habe viel Respekt davor, wie sich Tausende Hamburgerinnen und Hamburger für Flüchtlinge engagieren und ihre Zeit dafür einbringen. Darunter sind auch viele unsere Parteimitglieder, einige davon sitzen hier direkt unter uns. Ohne diese Menschen würden wir im reichen Hamburg eine humanitäre Katastrophe unglaublichen Ausmaßes erleben. Es ist aber dringend geboten, diese Menschen zu entlasten und sie deutlich zu würdigen, auch mit einer finanziellen Unterstützung.
Geflüchtete Frauen brauchen unsere Hilfe. Aber wir müssen aufhören, sie als wehrlose Opfer zu sehen. Sie sind unglaublich stark, sie sind mutig. Sie haben einen gefährlichen Weg auf sich genommen, um für ein besseres Leben für sich und ihre Kinder zu kämpfen. Das verdient Respekt und Anerkennung – und nicht unser Mitleid.
Refugees Welcome!