Kampf gegen Sexismus in Hamburg – dem Weltbild der AfD setzen wir unsere feministische Sicht entgegen
Die AfD Hamburg lehnt die derzeit praktizierte Form des „Gender Mainstreaming“ ab. Die ursprüngliche Idee des Gender Mainstreaming, die unterschiedlichen Interessen und Lebenssituationen beider Geschlechter in politischen Fragen regelhaft zu berücksichtigen, ist von den Altparteien nicht umgesetzt worden. Stattdessen sind die Politikansätze zur Gleichberechtigung der Geschlechter weiterhin überwiegend frauenzentriert. Die öffentliche Debatte zu „Gender Mainstreaming“ wird von Strömungen innerhalb der „Genderforschung“ geprägt, die radikal feministisch auftreten oder sogar teilweise das biologische Geschlecht für „gesellschaftlich konstruiert“ halten. Die AfD Hamburg fordert vor dem Hintergrund dieser gescheiterten Geschlechterpolitik einen Neuanfang. (Wahlprogramm der AfD zur Bürgerschaftswahl 2015)
„Während Frauen den Hauptteil gesellschaftlich notwendiger Arbeit – zum Beispiel im Care-Bereich – leisten, erhalten sie immer noch durchschnittlich 20 Prozent weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. Doppel- und Dreifach-belastungen schmälern die Verfügung über die eigene Zeit. Armut trägt noch immer ein weibliches Geschlecht. Die Liste ließe sich fortführen. Deshalb kämpfen Frauen überall auf der Welt unermüdlich weiter. DIE LINKE unterstützt das.“ (Linksfraktion im Bundestag zum Internationalen Frauentag 2015)
Die gesellschaftlichen Strömungen, die sich in der Partei AfD organisiert undmit ihr in die Parlamente transportiert werden, möchten, dass die Kleinfamilie (wieder) zum Idealbild stilisiert wird. So soll selbst die Schulpflicht nach Meinung der AfD-Europaabgeordneten, Beatrix von Storch, abgeschafft werden, damit Eltern ihre Kindern nach Gutdünken zuhause unterrichten können. Die Rolle der Frau soll im Wesentlichen auf die der sorgenden Mutter, der getreuen Ehefrau und pflegenden Schwiegertochter reduziert werden. Gender Mainstreaming wird als „Genderismus“ bekämpft. Die rechtskonservative Kritik lautet, dass der Begriff Gender die „natürlichen“ oder „göttlich gegebenen“ Geschlechtsrollen widerlege. Selbst die FAZ kommt zu dem Schluss, dass sich die AfD zur deutschen Tea Party entwickelt. „Das Projekt Feminismus muss beendet werden“, heißt es aus den Reihen der „jungen AfD“. Abtreibung wird demzufolge ebenso bekämpft, wie Quotenregelungen und homosexuelle Lebensweisen.
Im Wahlprogramm der AfD für die Bürgerschaftswahlen 2015 finden sich Rudimente dieser sexistischen Positionen. Die AfD Hamburg ist inhaltlich bislang zwar nicht groß in Erscheinung getreten. Dies dürfte sich mit dem Einzug der AfD in die Hamburgische Bürgerschaft verändern. Die Fraktion DIE LINKE hat sich bereits klar positioniert: Es wird keine Form der Zusammenarbeit geben, man wird Anträgen der AfD nicht zustimmen.
Das reicht natürlich nicht aus. Erforderlich ist eine aktive Auseinandersetzung mit den rechtskonservativen, reaktionären Positionen der AfD und den Aufbau einer Gegenwehr. Und es geht darum, mit eigenen Positionen und Aktivitäten deutlich zu machen, worin das Trennende, Unüberwindliche besteht. Und warum die AfD mit ihren Positionen mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Beispielsweise schreibt die AfD in ihrem Wahlprogramm von „Eltern-, statt Frauenförderung“ oder „Die AfD Hamburg lehnt die Bekämpfung traditioneller Geschlechterrollen und Familienentwürfe durch staatliche Stellen ab.“ oder „Lehrstühle in den so genannten ,Gender Studies’ sind fast ausschließlich der Frauenforschung gewidmet. … Die einseitige Besetzung solcher Lehrstühle durch Gesellschaftswissenschaftler lehnen wir ab.“ Oder „Männer sind mit dem aktiven und passiven Wahlrecht bei der Wahl des Gleichstellungsbeauftragten auszustatten.“ Oder „Die AfD lehnt Gleichstellungspolitik durch Quoten als normierenden Zwang ab.“
Es gilt, diese Aussagen zu entlarven und als das darzustellen, was sie sind: Ein Stabilisieren traditioneller, patriarchaler Herrschaftsmuster. Gleichzeitig müssen die anderen Fraktionen der Bürgerschaft dazu herausgefordert werden, sich ebenfalls klar zu positionieren – und ggf. zu korrigieren. Das neue Hamburger Gleichstellungsgesetz beispielsweise beinhaltet bereits die Möglichkeit, dass Männer Gleichstellungsbeauftragte werden und Männer auch an den Wahlen teilnehmen. Nur DIE LINKE hat dies im Vorfeld kritisiert. Ein neuer Gesetzesentwurf von uns ist daher allein schon deswegen erforderlich. Gleiches gilt für die Jungenarbeit, die bereits institutionalisiert ist. Jungen- wie auch Mädchenarbeit sind aber beide unterfinanziert und gehören geschlechtsspezifisch ausgebaut statt einseitig gefördert.
Genährt werden die reaktionären Postionen der AfD von so genannten Lebensschützern und „besorgten Eltern“. Dahinter stecken bibeltreue Evangelikale. Ein breites Aktionsbündnis hat sich erfolgreich gegen die „besorgten Eltern“ zur Wehr gesetzt, die Ende Januar 2015 gegen die angeblich Frühsexualisierung von Kindern demonstriert haben. So heißt es in einem Flugblatt der „besorgten Eltern“: „Hinter dem Rücken der Eltern wird in großem Stil in unseren Kitas, Kindergärten und Schulen ein schamverletzendes, durch nichts gerechtfertigtes, unwissenschaftliches Frühsexualisierungskonzept verfolgt.“ Im einem vorauseilendem Affekt hatte zuvor der Hamburger Schulsenator das Fachbuch „Sexualaufklärung der Vielfalt“ von Prof. Elisabeth Tuider von der Empfehlungsliste der Lehrerfortbildung nehmen lassen. Das zeigt, wie eingängig reaktionäre Positionen übernommen werden.
„Besorgte Eltern“ werden, bzw. wurden aber auch unterstützt durch einen ehemaligen CDU-Bürgerschaftsabgeordneten, der auf deren Kundgebung eine Rede hielt. In einem von der Linksfraktion initiierten Antrag positionierte sich die Bürgerschaft immerhin anschließend mehrheitlich eindeutig: „Die Bürgerschaft unterstützt die Ziele der Sexualpädagogik nach Vielfalt und Selbstbestimmung. […] Sexualaufklärung darf sich nicht auf die Vermittlung von kognitiven und biologischen Inhalten reduzieren, sie muss das subjektive sexuelle Erleben des einzelnen sehen, die Beziehungen zwischen den Menschen thematisieren sowie ethische und moralische Komponenten in ihre Arbeit einbeziehen.“
Als nachgewiesen gilt, dass, wer sexistische Vorurteile pflegt, auch eine ausgewiesene rassistische Mentalität hat. Rassismus und Sexismus haben die gleichen Wurzeln. Beides sind Machtphänomene, durch die Charaktereigenschaft, Verhaltensweisen und gesellschaftlichem Status der ethnischen Herkunft und dem Geschlecht zugeordnet werden. Daher müssen sie gemeinsam bekämpft werden.
Die rassistischen Positionen der AfD finden sich ebenfalls unmissverständlich im Programm zur Bürgerschaftswahl wieder. Einige Beispiele:
„Die missbräuchliche Nutzung von Flüchtlingsunterkünften durch Saisonarbeiter ist zu verhindern.“
- „Die AfD fordert die Aufnahme der Ethnie bzw. des Migrationshintergrunds in der polizeilichen Kriminalstatistik.“
- „Wir fordern die zwingende Ausweisung ausländischer Straftäter bei einer Verurteilung …“
- „Insgesamt aber hat die über Jahrzehnte ungesteuerte Einwanderung auch tiefgreifende Probleme in etlichen Stadtteilen verursacht …“
- „Im Bereich von Zuwanderung wenden wir uns gegen Multikulti-Utopien und ethnische Parallelgesellschaften in unseren Städten.“
- „Es muss verhindert werden, dass vorrangig solche Personen zu uns kommen, die sich von unseren sozialen Leistungen angelockt sehen.“
Die Positionen der AfD dürften bei etlichen Bürgerschaftsabgeordneten anderer Fraktionen auf Nährboden stoßen. Dem gilt es, durch aktive, konsequente Diskussion und Anträge zu begegnen. Insbesondere die Wohnungsnot dürfte eine Triebfeder sein, die Verantwortlichen für knappen Wohnraum und Obdachlosigkeit nicht nur mehr beim Senat und der privatisierten Wohnungswirtschaft zu suchen, sondern auch bei den Menschen, die dringend vernünftigen, günstigen Wohnraum suchen – den Flüchtlingen. Oft geht dabei der geschlechtsspezifische Blick verloren. Dabei leiden besonders Frauen und Mädchen und den Massenunterkünften der Erstaufnahmeeinrichtungen. Sie sind Gewalt und Erniedrigungen ungeschützt ausgesetzt – zumal das Sicherheitspersonal männlich ist und die SozialarbeiterInnen und ÄrztInnen nur in unzureichender Anzahl vor Ort sind.
„Sicher ist, dass nichts sicher ist“, schrieb einst Joachim Ringelnatz. Der Sinnspruch bewahrheitet sich wieder einmal.
Der Landesparteitag möge beschließen:
- Der Landesparteitag fordert alle Mitglieder, Landesarbeitsgemeinschaften, Bezirksverbände, Ortgruppen sowie die Bezirks- und Bürgerschaftsfraktionen auf, sich aktiv mit den Ergebnissen des Frauenplenum auseinanderzusetzen und handlungs- wie aktionsorientiert Maßnahmen zu ergreifen.
- In 2015 findet eine „Widerstandskonferenz gegen ein reaktionäres Frauenbild“ statt.
- Im Vorfeld der Widerstandskonferenz gibt der Landesverband DIE LINKE Hamburg gibt eine Broschüre heraus, die sich mit dem reaktionären Frauenbild der AfD und der so genannten Lebensschützer auseinandersetzt. Hierfür werden auch Gastbeiträge von Expertinnen und Experten eingeworben.
Ein Entwurf von Kersten Artus, Christine Detamble-Voss, Carola Ensslen