Warum Kinder kein Kapital sind

b592bca41cMit der AfD ist der Antifeminismus in die Parlamente eingezogen – unabhängig davon, ob sich die Partei zerlegt. Der Satz „Kinder sind unser Kapital“, den die AfD-Frontfrau Dr. Frauke Petry, mit dem sie ihre Website ziert, macht mehr als deutlich, auf welchem Fundament sie ihren Antifeminismus baut. Dass Kinder „Kapital“ sein sollen, drückt die neoliberale Geisteshaltung hinter dem konservativen Leitbild Petrys aus: Menschen sind Verwertungsobjekte. Und die Verwertungsmaschinerie muss fleißig produzieren: Nach ihrer Meinung gelten nur Familien mit drei Kindern als normal.

Der Feminismus stellt die Geschlechterverhältnisse in Frage. Er ist eine Freiheitsbewegung, denn die Strukturen, die das Patriarchat der Gesellschaft aufgedrückt hat, wirken auf allen Ebenen, in allen Schichten und Milieus. In unserer Sprache. Sie wirken in der Sozialgesetzgebung, in der Rechtsprechung, in der Politik, in Arbeitsverhältnissen. In Beziehungen, bei der Kindererziehung. Das Patriarchat lebt in jeder Persönlichkeit. Seine Werte, Normen und Verhaltensmuster sind von Vätern und Männern geprägt, kontrolliert und repräsentiert. Es gibt Leute, voran die “junge AfD”, aber bei Weitem nicht nur, die glauben, die nächste Generation würde diese Strukturen überwinden können. Weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gleichstellung der Geschlechter bereits geschaffen worden seien. Im Grundgesetz und verschiedenen anderen Gesetzen ist ja die Gleichstellung garantiert. Trotzdem sind aber Frauen und Mädchen nach wie vor massiv tödlicher Gefahr durch physische und psychische Gewalt im sozialen Nahbereich ausgesetzt: Jede vierte Frau erlebt sie in ihrem Leben mindestens einmal. Und trotz gesetzlicher Gleichstellung sind die Gehaltsunterschiede signifikant: Männer verdienen fast ein Viertel mehr. Selbst unter den Ärmsten wirkt das Patriarchat: Die Bedarfsgemeinschaft in Hartz-IV-Haushalten halten Frauen in doppelter Abhängigkeit vom Mann und Staat. Da erledigt sich nichts von selbst oder mit den Jahren.

Der Feminismus ist eine gesellschaftliche Strömung, keine politische Richtung. Feministinnen wirken in ihrem Milieu und aufgrund ihrer persönlichen Prägungen und politischer Überzeugungen. Linker Feminismus begnügt sich nicht damit, Aufsichtsräte anteilig mit Frauen zu besetzen und mehr Frauen zu Professorinnen und Chefinnen zu machen. Frauen erbringen mehr als die Hälfte aller Arbeit in der Gesellschaft, doch sie wird entweder nicht anerkannt (Familien- und Hausarbeit) oder schlecht bezahlt (Erzieherinnen, Pflege). Linke Feministinnen sind nicht stolz darauf, dass es eine Bundeskanzlerin und eine Verteidigungsministerin gibt. Sie wollen Egalität auf allen Ebenen, in jeder Schicht, jedem Milieu. Und das ist nicht zu verwirklichen, solange der Markt und die besitzende Klasse entscheidet, wie Gleichberechtigung umgesetzt wird. Linksfeminismus ist immer sozial, weil er von unten denkt.

Es sind die Gewerkschaften, die wesentliche linksfeministische Forderungen durchgekämpft haben: Mindestlöhne, Lohngleichheit, Mutterschutz und Arbeitszeitverkürzung waren neben dem Frauenwahlrecht und Kampf gegen die Militarisierung und Krieg die Ziele des ersten internationalen Frauentages 1911. Bis heute gilt: Wo es Tarifverträge gibt, werden Frauen und Männer gleich entlohnt. Auch Arbeitszeiten werden in Tarifverträgen definiert: Die Ergebnisse der Kämpfe um die 35 Stunden Woche findet sich noch heute in Tarifverträgen wieder. Zutreffend formulierte es Clara Zetkin 1889: „Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein.“ Es ist daher derzeit eine besondere historische Situation, wenn die Erzieherinnen auf die Straße gehen und für die Aufwertung ihres Berufes streiken. Zwar richtet sich der Streik gegen die kommunalen Arbeitgeberinnen, dennoch legen hier vor allem Frauen die Arbeit nieder.

Linksfeminismus richtet sich von unten aus. Er verschränkt die soziale und die Geschlechterfrage miteinander. Er definiert auch Sexismus weitergehender als auf sexualisierte Diskriminierung und Gewalt bezogen. Der Antifeminismus der AfD ist zugleich sexistisch: Sexismus leugnet die Geschlechtervielfalt und die Existenz verschiedener sexueller Identitäten. Er begründet von Beginn der Menschwerdung an die heteronormative Festlegung jeder Person auf weiblich oder männlich – mit den “dazu gehörenden” Rollen. Diese Einengung hat für viele Menschen derart ausgrenzende Folgen, dass sie sich nicht angemessen in die Gesellschaft einbringen können, weil sie schwere gesundheitliche Folgen erleiden. Ganz abgesehen von den vielfachen Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt sind, wenn sie lesbisch schwul, bi, trans- oder intersexuell sind. Dass gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland keine Kinder adoptieren dürfen, drückt die Geisteshaltung besonders aus: Warum sollen Menschen, die nicht als hetero leben, schlechte Eltern sein? Wer die Frau als Subjekt als Zentrum der Familie sieht und sie als abnormal beurteilt, sollte weniger als drei Kinder haben, kann zu keinem anderen Ergebnis kommen. Entweder Frau oder Mann. Nichts dazwischen. Und mit klaren Rollen. Das ist das schlichte und lebensferne Weltbild, mit dem die AfD punktet und vor allem evangelikale Kreise nährt.


Dieser Text ist in der Broschüre Sexismus heute – dort kämpfen, wo das Leben ist erschienen. Hier der Blog Frauensichten mit den ungekürzten Texten

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