Jetzt soziale Distanz halten, um Ansteckungen zu vermeiden – der Satz sagt sich so einfach, der Appell hört sich so schlüssig an. Aber unerwünschte Nebenfolgen wurden offenbar überhaupt nicht berücksichtigt oder eingeplant.
Wer es noch nicht wusste, hier zwei Tatsachen. Erstens: Schon vor der Coronakrise waren Deutschlands Frauenhäuser überfüllt. Zweitens: Häusliche Gewalt hat nichts mit Wohnverhältnissen, Milieuzugehörigkeit oder Bildungsstand zu tun – sie findet überall statt. Die Coronakrise wird das Problem weiter verschärfen. Coronavirus: Mehr Schutzräume für Opfer häuslicher Gewalt weiterlesen
Hamburgs Bevölkerung wächst seit Jahren. Ob diese Entwicklung auch bei der Versorgung ungewollt Schwangerer Berücksichtigung findet, sollten zwei Anfragen herausfinden, die Grüne und Linke an den Senat gestellt haben.
Die Antworten zeigen, dass wichtige Informationen nicht vorliegen, um die Versorgungslage von ungewollt Schwangeren richtig einzuschätzen und für die Zukunft zu planen. Weder sind die gestiegenen Wartezeiten bekannt, die zwischen Beratungen und Abbrüchen liegen, noch werden die Versorgungssituationen in den benachbarten Bundesländern bewertet. Die Versorgungssituation von ungewollt Schwangeren in Hamburg – Zeit zum Handeln! weiterlesen
Die Reform des Paragraphen 219a Strafgesetzbuch vom Jahresbeginn hat so gut wie nichts geändert. Ärztinnen und Ärzte, die über Schwangerschaftsabbrüche informieren und solche durchführen, werden weiter kriminalisiert. Abtreibungsgegner machen fortwährend mobil – nicht ohne Grund auch gegen Redaktionen, Journalistinnen und Journalisten.
Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland verboten. Treibt eine Schwangere ab, muss sie nach § 218 StGB mit einer bis zu einjährigen Gefängnisstrafe rechnen. Der Eingriff ist nur straffrei, wenn die Frau an einer Pflichtberatung teilnimmt, den Abbruch mit einem Mindestabstand von drei Tagen vornehmen lässt, er innerhalb der ersten 12. Schwangerschaftswochen stattfindet und Beratung sowie Abbruch von verschiedenen Personen durchgeführt werden. Medienmagazin “M”: Der Streit um den § 219a StGB ist noch lange nicht zu Ende weiterlesen
Es ist vorbei. Nun kann ich darüber schreiben. Das ging vorher nicht, denn ich musste in den letzten Wochen mit zwiespältigen Gefühlen klarkommen. Und wollte meine Gemütslage nicht bloßlegen. Wollte weder die berühmten Pferde scheu machen noch andere zum googeln verleiten, weil mir mein eigenes Halbwissen bereits mehr als reichte. So wussten nur ganz wenige Menschen Bescheid.
Meine Frauenärztin hatte Mitte Juni bei einer Routinevorsorge eine Zyste entdeckt. Und weil die an einer Stelle saß, wo sie – in meinem Alter – nicht mehr hingehörten sollte, empfahl die Ärztin sowohl ihre Entfernung wie auch die der Keimdrüse, an der sie hing. Sie überwies mich an ein Krankenhaus, das für diese Art Operationen eine gute Adresse sein soll.
Vielleicht hätte sie aber einige Sätze nicht sagen oder ihre Vermutungen anders ausdrücken sollen. So aber sagte sie: “Man kann ja immer etwas finden.” – “Das kann auch Überdiagnostik sein.” – “Dahinter kann sich etwas verbergen, was auch nicht so schön sein kann.” Aussagen, die auf mich wirkten, langsam in mich einsickerten, von meinen Gedanken Besitz ergriffen, mich Stück für Stück hilfloser machten. Vielleicht aber hätte der Befund auch gar nicht so viel ausgelöst, hätte ich nicht mehrere Wochen auf das Gespräch im Krankenhaus warten müssen. Denn natürlich rief ich gleich dort an. Doch erst vier Wochen später hatte man Zeit für mich. Zwischen Hoffen und Bangen weiterlesen
Zusammenfassende Darstellung des Landgerichtsurteils vom 26. April 2019
Das Landgericht Hamburg hat entschieden. Ich darf den Namen des Mannes nennen, der unzählige Ärztinnen und Ärzte systematisch nach § 219a StGB angezeigt hat. Die Kammer hat in einer Klarheit dargelegt, warum es zulässig ist, Hendricks Namen zu nennen, die mich ehrlich gesagt beeindruckt hat. Alle Nebenschauplätze, die der Anwalt von Hendricks aufgetischt hat, hat sie mit klugen und abwägenden Argumenten verworfen.
Die Klage ist nicht begründet, schreibt sie. Allein das muss Hendricks Anwalt weh tun, auch wenn es eine juristisch sachliche Darstellung sein dürfte. Völlig umsonst war es, dass er das halbe Internet ausgedruckt hat, um zu beweisen, wie sein Mandant durch mich geschädigt worden sei. Sein Persönlichkeitsrecht sei nicht verletzt worden, weil es eine identifizierende Berichterstattung gegeben habe, schreibt die Kammer weiter. Daher habe er keinen Unterlassungsanspruch. Ein Eingriff in das Anonymitätsinteresse könne zur wahrheitsgemäßen Aufklärung gerechtfertigt sein. Die Grenzen sieht sie bei den Rechten Dritter und bezieht sich auf die Meinungs- und Medienfreiheit, die grundgesetzlich garantiert ist. Das Persönlichkeitsrecht gewähre nicht immer ein Herrschaftsrecht über bestimmte Informationen. Auch deswegen finde ich dieses Urteil spannend und wegweisend. Denn es ist immer wieder ein neues Ausbalancieren, wenn Grundrechte gegeneinander stehen. Und meiner Meinung war es nicht von vornherein klar, wie das Gericht entscheidet, auch wenn ich mich im Recht fühlte. Ohlala. Der Name darf genannt werden. weiterlesen
In der Bundesrepublik fehlen Tausende Plätze in Frauenhäusern – ein mitunter tödlicher Mangel, wie Studien belegen
Eine diamantene Hochzeit ist ein Grund zum Feiern: 60 Jahre Ehe – das erreichen nur 0,1 Prozent aller Paare. Wer so lange zusammen lebt, hat es offenbar geschafft, ein Leben gemeinsam zu gestalten. Welches die Geheimnisse einer glücklichen Ehe sind, fragen sich dennoch viele: Wie schafft man das bloß?
Eine 56-Jährige Kölnerin stellt sich derzeit wahrscheinlich eine ganz andere Frage: Warum hatten sich meine Eltern nicht schon längst getrennt? Denn dann würde ihre Mutter noch leben. Laut Mordanklage wollte die 88-jährige ihren ein Jahr älteren Mann nach fast 60 Jahren wegen eines anderen verlassen. Da brachte er sie um. Die Tatwerkzeuge: Hammer und Küchenmesser. Sie verblutete. Der Fall ist keine Einzeltat und schon gar keine Ausnahme. Er ist vielmehr – trotz des hohen Alters von Opfer und Täter – typisch. Lieber tot als getrennt #keinemehr weiterlesen
Da der Paragraf 219a Strafgesetzbuch Informationen für ungewollt Schwangere gesetzlich verhindert und auch das neue Regierungspapier wenig ändert, wächst die Wut.
In Berlin, Dresden, Hamburg, Frankfurt/M., München und vielen anderen Städten protestieren menschen diesen Samstag gegen den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch.
Dieser verbietet Ärzten, auf ihren Internetseiten darzustellen, ob Schwangerschaftsabbrüche zu ihrem Leistungsspektrum gehören. So werden ungewollt Schwangere darin behindert, sich Informationen zu beschaffen – etwa darüber, welcher Arzt Abbrüche vornimmt und nach welcher Methode. Über 150.000 Menschen hatten 2017 einen Aufruf der Ärztin Kristina Hänel unterzeichnet, mit der sie uneingeschränkte Informationsrechte forderte – die Petition ist nun erneut online.
Hänel war damals von einem Abtreibungsgegner angezeigt worden, weil sie solche Auskünfte im Netz bereit gestellt hatte. Die Gießener war folglich zu 6.000 Euro Strafe verurteilt worden. Die zweite Instanz bestätigte die Entscheidung. In der Urteilsbegründung hieß es aber auch: Der Gesetzgeber sei bei einer Neuregelung zuständig und nicht das Gericht. Der Paragraf 219a heißt Stigma und Tabu weiterlesen
Mit den Frauen auf diesem Foto – Natascha Nicklaus, Nora Szász und Eva Waldschütz – habe ich unter anderem eines gemein: Wir wurden von fanatischen Abtreibungsgegnern angezeigt, weil wir uns für das Recht von Frauen einsetzen, bei ungewollter Schwangerschaft über den eigenen Körper selbst entscheiden zu können. Ich bin keine Ärztin, ich nehme keine Schwangerschaftsabbrüche vor. Aber ich habe den Namen des Mannes, dessen Hobby es ist, Ärzt*innen anzuzeigen, die Abbrüche vornehmen, in der Öffentlichkeit genannt. Angeklagt weiterlesen
Das Gerichtsverfahren am 29. August gegen die Kasseler Frauenärztinnen Nora Szász und Natascha Nicklaus, die beschuldigt werden, gegen § 219a StGB verstoßen zu haben, weil sie auf ihrer Praxis-Website darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, hatte einen unerwarteten Ausgang: Die Verteidigung stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Richter.
Als Prozessbeobachterin und Sachverständige kann ich nur bestätigen: Staatsanwaltschaft und Richter haben sich keine Sekunde bemüht, inhaltlich auf die Argumente der Verteidigung einzugehen. Es hätte sich meiner Meinung nach für das Amtsgericht Kassel gelohnt und wäre für die Rechtsprechung – egal wie sie am Ende ausgegangen wäre, wichtig gewesen. So aber müssen sich Staatsanwaltschaft und Richter mit dem Vorwurf konfrontieren lassen, sie würden es an Rechtsstaatlichkeit vermissen lassen, wie Nora Szász das feststellte. Nun wird von Amts wegen ein neuer Termin bestimmt. Es kann auch sein, dass das Verfahren ganz neu aufgerollt wird. § 219a StGB: Nach dem Prozess ist vor dem Prozess weiterlesen
Zum Stand der Diskussion – Vor der offenen Fachtagung von pro familia Hamburg und des FPZ Hamburg am 8. Mai 2018
Der § 219a StGB war bis vor wenigen Monaten nur in Fachkreisen bekannt. Und zwei Männern, die seit Jahren akribisch das Internet durchforsten, um jene Medizinerinnen und Mediziner anzuzeigen, die auf ihrer Website darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten.¹ Gleiches galt für die Folgen dieses Strafrechtspragraphen – für ungewollt Schwangere und für Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen. Vor allem Jüngere waren sich gar nicht mehr bewusst, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht straffrei sind. Die Generation, die in den 1980er Jahren zur Welt gekommen ist, hatte Pflichtberatungen und die 12-Wochen-Grenze offenbar so verinnerlicht, dass es kein Bewusstsein mehr dafür gab, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter Strafe stehen. Umso größer die kollektive Empörung, als bekannt wurde, dass (nicht nur) eine Ärztin zu 6.000 Euro Strafe verurteilt wurde, weil sie gegen den § 219a StGB verstoßen hatte. § 219a: Informations- und Berufsrechte sollten kein Spielball der Politik sein weiterlesen