(Zu) Späte Aufarbeitung

veröffentlicht in publik 1/2020

bauer media group – Lange blieb im Verborgenen, dass die Bauer-Verlagsgruppe von Anfang an die NSDAP mit ihren Zeitschriften, Groschenromanen und mehr unterstützt, sich an jüdischem Eigentum bereichert hat und das bis in die Nachkriegszeit hinein. Jetzt ist der Verlag mit seiner Vergangenheit konfrontiert

„Alfred Bauer … prägte mit seinem verlegerischen Instinkt, wirtschaftlichem Wagemut und Energie die erfolgreiche Entwicklung der Unternehmensgruppe … Seine Leistung und Einsatzfreude wird uns allen Vorbild sein in dem Bemühen, sein Werk in seinem Sinne fortzusetzen“, hieß es in der Mitteilung an alle Bauer-Beschäftigten im Mai 1984, mit der das Management über den Tod des Verlegers informierte. Es sind Worte, die in dieser Form heute vermutlich nicht mehr geschrieben würden. Denn Alfred Bauer, geboren 1898, war NSDAP-Mitglied. Sein Unternehmen beteiligte sich – wie andere auch – an der von den Nationalsozialisten betriebenen sogenannten „Arisierung“. Historiker sprechen rückblickend auch von „Raubkauf“. (Zu) Späte Aufarbeitung weiterlesen

Mein Verleger, der Nazi.

Frontansicht des Bauer-Verlagsgebäudes im Hamburger Kontorhausviertel
@keartus

Ich habe über 30 Jahre für den Bauer Verlag gearbeitet. Als kaufmännische und journalistische Auszubildende, Presse-Dokumentarin, Redakteurin. Und war immer wieder in Bauer-Betriebsräten engagiert. Ich kenne das Haus nahezu wie meine Westentasche – auch wenn ich die Unternehmerfamilie nie kennengelerent habe. Aber über die Kolleginnen und Kollegen, Stilllegungen, Rationalisierungen, Kündigungen, Sozialpläne und die damit immer verbundenen geschäftlichen Aktivitäten des Konzerns weiß ich ganz gut Bescheid – zumindest bis 2016, der Zeitpunkt, zu dem ich ausstieg. Über die Geschäftsaktivitäten zwischen 1933 bis 1945 lag immer ein dichter Nebel.

Weder auf der Firmenwebsite noch bei Wikipedia oder auf der Website des Hauses* der Pressefreiheit** finden sich bislang Hinweise auf diese Zeit. Bei der Unternehmenshistorie hört die Geschichte 1926 auf und fängt irgendwann wieder an – als wenn das Unternehmen aus einer langen, langen Starre, oder vielleicht auch aus dem Naziwinterschlaf, wieder erweckt wurde.

Und niemand hatte sich bislang die Mühe gemacht, nachzuforschen, wie das war bei dem Verlag, der mit vermeintlich unpolitischen, unterhaltenden Publikationen reich geworden ist. Sehr reich: Bauers gehören zu den reichsten Menschen Deutschlands. Sind also reich geworden mit Frauenpresse, der Bravo, Fernsehzeitschriften, Tratsch- und Klatsch-Postillen. Und Schmuddel wie Praline, Schlüsseloch, Wochenend und dem Edelschmuddel Playboy. Und offenbar mit Nazi-Ideologie.

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Chancengleichheit 4.0

Veröffentlicht in DER FREITAG, 3/17 vom 19. Januar 2017

Bei der Debatte über die Digitalisierung der Arbeit wird allzu oft der Genderaspekt vergessen

Wenn demnächst intelligente Computer alle mögliche Tätigkeiten übernehmen und Maschinen menschliche Schaffenskraft sogar in kreativen Branchen ersetzen, könnte die Welt, wie wir sie kennen, tatsächlich verschwinden. Wir werden dann mitansehen, wie künstliche Intelligenz Arbeitsplätze für Millionen Menschen vernichtet.

Oft kreisen Studien, Analysen und Spekulationen um den Begriff Arbeit 4.0 oder Industrie 4.0 – als eine Revolution, die bereits in Gange ist. Einige Szenarien sind aus dem Kino bekannt: In Hollywood-Produktionen wie I Robot verrichten „NS-5“-Konstruktionen Dienste im Haushalt und in Surrogates arbeiten, leben und lieben Klon-Apparate für ihre zuhausebleibenden Originale das Leben außerhalb der Wohnung. Man mag über solche Visionen den Kopf schütteln, bedenke aber: Die Star-Trek-Crew arbeitete schon in den 1980ern mit Tablets, da wurden Zeitungstexte sonst noch auf Schreibmaschinen getippt.
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Leben und arbeiten in der digitalisierten Welt – Es geht um die Deutungshoheit und um den Wert von Arbeit

Veröffentlicht in “M” Menschen machen Medien

Veröffentlicht in der medienpolitischen Zeitschrift “M” am 27. Dezember 2016

Werden Arbeitnehmer_innen künftig gläsern? Werden wir bald alle zu Job-Nomad_innen mit prekärer Einkommenslage? Die Debatte um die Zukunft der Arbeit ist voll entfacht. Halt! Die „Zukunft der Arbeit“? Was ist damit genau gemeint? Denken wir eigentlich alle an das Gleiche, wenn wir das lesen? Wissen wir genau, worum es geht? Eher nicht. So kommt es zu dem ersten Missverständnis: Geht es darum, ob Arbeit an sich eine Zukunft hat? Oder darum, wie Arbeit demnächst stattfinden wird? Das ist keine Spitzfindigkeit. Beim Lesen von Texten über die digitalisierte Arbeitswelt entsteht nicht selten der Eindruck, als wenn Arbeit verschwände.

Es geht um das zukünftige Arbeiten. Und auch wieder nicht, denn es geht nicht um die ferne Zukunft oder um eine visionäre Debatte. Das Internet, Roboter und künstliche Intelligenz sind bereits in nahezu alle Arbeitsprozesse eingezogen. Leben und arbeiten in der digitalisierten Welt – Es geht um die Deutungshoheit und um den Wert von Arbeit weiterlesen

Digitale Arbeitswelt verlangt radikale soziale Reformen

img_3181Veröffentlicht in “M” – Menschen machen Medien, 12. Dezember 2016

Dass 3D-Drucker fahrbare Autos und bewohnbare Häuser produzieren können, ist keine Science Fiction mehr. Das gedruckte Bürogebäude steht in Dubai und Shuttlebus „Olli“ soll 2017 in Karlsruhe eingesetzt werden. Noch keine Normalität. Dennoch, wenn Roboter mit künstlicher Intelligenz immer einfachere Produktionsverfahren ermöglichen, werde sich das radikal auf Arbeitsplätze und Berufe auswirken, sagte IT-Expertin Anke Domscheit-Berg während eines Vortrages bei den ver.di-Frauen in Hamburg. Digitale Arbeitswelt verlangt radikale soziale Reformen weiterlesen

Pädagogisch = weiblich = schlecht bezahlt

gewVeröffentlicht in Erziehung & Wissenschaft 5/2016

Zum internationalen Frauentag 2016 hat die GEW ein Gutachten veröffentlicht, das nachweist, dass die schlechtere Bezahlung von Grundschul- gegenüber Lehrkräften an anderen Schularten eine mittelbare Diskriminierung von Frauen ist. Bis zu 450 Euro monatlich wird an Grundschulen weniger verdient. In Hamburg diskutierten Grundschullehrerinnen über Ursachen, Vorurteile und Möglichkeiten, die Situation zu verändern, sowie die Folgen dieser Diskriminierung im Berufsalltag. Pädagogisch = weiblich = schlecht bezahlt weiterlesen

Macht Betriebliches öffentlicher!

Ibrahim Ergin ist Betriebsratsvorsitzender der Meyer-Werft. Das Unternehmen will ihn kündigen, weil er Auszubildende genötigt haben soll, in die IG Metall einzutreten. Ich bin aus der Ferne Zuschauerin dieses politischen Prozesses, der in der Mitbestimmungsgeschichte Deutschlands seinesgleichen sucht. Ich nehme Anteil, weil man vor fünf Jahren versucht hat, auch mich wegen gewerkschaftlicher Betätigung rauszuschmeißen, und auch ich war eine Betriebsratsvorsitzende. Es war einer von drei Kündigungsgründen*. Macht Betriebliches öffentlicher! weiterlesen

35 Jahre DIDF

12377711_531722717001356_1999606381794836636_o„Hans und Hassan“ geben sich die Hand, und zwar auf dem Logo der DIDF, der Föderation demokratischer Arbeitervereine, die sich 1980 gründete. Das Motiv symbolisiert die Wichtigkeit der Solidarität verschiedener Nationalitäten miteinander. Seit 35 Jahren nimmt DIDF aktiv am Widerstand gegen Sozialabbau, Abbau demokratischer und gewerkschaftlicher Rechte, gegen Rüstung und Krieg teil. Jetzt feiert die DIDF ihr 35-jährigen Jubiläum und ich hatte als Landessprecherin der AG betrieb & gewerkschaft die Gelegenheit, ein Grußwort auf dem Hamburger Kongres am 13. Dezember zu halten. 35 Jahre DIDF weiterlesen

Frank Deppe: Gewerkschaften 2015 – aus Niederlagen Stärken ziehen

12185348_933993320023433_2799033826711080214_oAuf der Bundesdelegiertenkonferenz der AG betrieb & gewerkschaft, dem größten Zusammenschluss der LINKEn, referierte am 31. Oktober 2015 der Marburger Professor Frank Deppe.

Eine Zusammenfassung von Kersten Artus (Als PDF hier)

Deppe sieht ein Comeback der Gewerkschaften, nachdem diese in den 1980-er Jahren in eine „dramatische Defensive“ geraten waren und machte dies an steigenden Mitgliederzahlen, den letzten Tarifabschlüssen aber auch am gesetzlichen Mindestlohn und an der Rente ab 63 fest. Auf den jüngst stattgefundenen Kongressen von IG Metall und ver.di sei ein neues Selbstbewusstsein zu spüren gewesen. Ver.di sei in einer anderen Situation als die IG Metall, denn die Mitgliederzuwächse seien nicht ganz so hoch. Im Gesundheitswesen allerdings habe Ver.di gut zugelegt, was Deppe durch dessen Ökonomisierung begründet sieht. Ver.di sei die Streikgewerkschaft, was man an den Auseinandersetzungen in Kitas, in der Pflege, bei der Post oder bei Amazon sehe. Das sei neu für die Bundesrepublik Deutschland. Es sei aber ein Comeback mit Widersprüchen. Frank Deppe: Gewerkschaften 2015 – aus Niederlagen Stärken ziehen weiterlesen

Wenn der dicke Tanzbär streikt

oskarstreiktUpdate 16.5.  (Fotos aus dem Jahr 1989 eingefügt) Zart bläst er in die Trillerpfeife, entlockt ihr ein leises Tönchen. Sie ist rot, aus Plastik und trägt ein Gewerkschafts-Emblem. Es ist Streik. Die Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste sind im Ausstand. Mein Enkel macht mit, an seinem Kinderwagen weht eine selbst gefertigte Flagge. Er besucht seine Erzieherinnen auf der Kundgebung vorm Gewerkschaftshaus und lässt sich fahren, als sich der Demonstrationszug in Bewegung setzt. Wenn der dicke Tanzbär streikt weiterlesen