Die Bewegung gegen den 219a ist eine Erfolgsgeschichte

Collage: keartus (Bilder vom Prozess und Protest November 2017 in Gießen)

Eiken Bruhn stellt in ihrem Beitrag im pro familia Magazin 2/19* fest, dass es beim Thema Schwangerschaftsabbruch zu wenig öffentlichen Druck gegeben habe. Ich sehe das anders.

Die Bewegung gegen den § 219a StGB sucht ihresgleichen. Seit vielen Jahren war die Frauenbewegung nicht mehr so aktiv, so bewegt, so sichtbar. Und so übergreifend einig: Christinnen, Grüne, Sozialdemokratinnen, Sozialistinnen, Linke, Liberale, Autonome, Jüngere, Ältere, einfache Angestellte, Unternehmerinnen, Freiberuflerinnen, Studierende, und auch vereinzelt Christdemokratinnen verlangten von der Bundesregierung die Abschaffung des Informationsverbots für Ärzt*innen, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Expert*innen verschiedener politischer Fachrichtungen unterstützten sie: Voran die Frauenpolitikerinnen, aber zusätzlich Abgeordnete mit den Schwerpunkten Recht und Gesundheit befanden den 219a für frauenfeindlich, antidemokratisch, stellten dessen Verfassungsmäßigkeit in Frage. Auch die Medien spiegelten diesen breiten Protest wieder, wobei es meiner Einschätzung nach die jungen Journalistinnen in den Redaktionen waren, die die Geschichten trieben und Reportagen, Interviews, Porträts und Investigativrecherchen veröffentlichten. Die Aussage von Eiken Bruhn „dass das Thema außerhalb von Fachkrise nur wenige Menschen bewegt“, stimmt daher nicht. Im Gegenteil. Die Bewegung gegen den 219a ist eine Erfolgsgeschichte weiterlesen

Der Paragraf 219a heißt Stigma und Tabu

©keartus

veröffentlicht in: Neues Deutschland, 25. Januar 2019, Seite 4

Da der Paragraf 219a Strafgesetzbuch Informationen für ungewollt Schwangere gesetzlich verhindert und auch das neue Regierungspapier wenig ändert, wächst die Wut.

In Berlin, Dresden, Hamburg, Frankfurt/M., München und vielen anderen Städten protestieren menschen diesen Samstag gegen den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch.

Dieser verbietet Ärzten, auf ihren Internetseiten darzustellen, ob Schwangerschaftsabbrüche zu ihrem Leistungsspektrum gehören. So werden ungewollt Schwangere darin behindert, sich Informationen zu beschaffen – etwa darüber, welcher Arzt Abbrüche vornimmt und nach welcher Methode. Über 150.000 Menschen hatten 2017 einen Aufruf der Ärztin Kristina Hänel unterzeichnet, mit der sie uneingeschränkte Informationsrechte forderte – die Petition ist nun erneut online.

Hänel war damals von einem Abtreibungsgegner angezeigt worden, weil sie solche Auskünfte im Netz bereit gestellt hatte. Die Gießener war folglich zu 6.000 Euro Strafe verurteilt worden. Die zweite Instanz bestätigte die Entscheidung. In der Urteilsbegründung hieß es aber auch: Der Gesetzgeber sei bei einer Neuregelung zuständig und nicht das Gericht. Der Paragraf 219a heißt Stigma und Tabu weiterlesen

§ 219a: Informations- und Berufsrechte sollten kein Spielball der Politik sein

Zum Stand der Diskussion – Vor der offenen Fachtagung von pro familia Hamburg und des FPZ Hamburg am 8. Mai 2018

Der § 219a StGB war bis vor wenigen Monaten nur in Fachkreisen bekannt. Und zwei Männern, die seit Jahren akribisch das Internet durchforsten, um jene Medizinerinnen und Mediziner anzuzeigen, die auf ihrer Website darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten.¹ Gleiches galt für die Folgen dieses Strafrechtspragraphen – für ungewollt Schwangere und für Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen. Vor allem Jüngere waren sich gar nicht mehr bewusst, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht straffrei sind. Die Generation, die in den 1980er Jahren zur Welt gekommen ist, hatte Pflichtberatungen und die 12-Wochen-Grenze offenbar so verinnerlicht, dass es kein Bewusstsein mehr dafür gab, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter Strafe stehen. Umso größer die kollektive Empörung, als bekannt wurde, dass (nicht nur) eine Ärztin zu 6.000 Euro Strafe verurteilt wurde, weil sie gegen den § 219a StGB verstoßen hatte. § 219a: Informations- und Berufsrechte sollten kein Spielball der Politik sein weiterlesen

Zehn Jahre ohne

Vor zehn Jahren trat in Hamburg das Passivraucherschutzgesetz in Kraft. Ich habe es genutzt, um mit dem Rauchen aufzuhören. Während sich andere Raucher*innen darüber aufregten, dass es die Freiheit einschränke, dass es den Genuss einschränke, dass einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht darstelle; während der DEHOGA und etliche Kneipenbesitzer*innen den Untergang der Gastronomie prophezeiten, habe ich die Gelegenheit ergriffen, um mal wieder mit dem Rauchen aufzuhören.

“Mit dem Rauchen aufzuhören ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal geschafft”, witzelte Mark Twain. Er hatte ja so recht. Ich hatte es zuvor auch schon viele Male versucht und lebte manchmal auch lange ohne Nikotin. Als ich jeweils mit meinen Kindern schwanger war zum Beispiel. Allen Carr mit seinem Buch “Endlich Nichtraucher” hat mir auch mal geholfen. Und als ich mich sechs Wochen lang in der psychosomatischen Klinik in Bad Bramstedt aufhielt, nutzte ich ein verhaltenstherapeutisches Angebot. Zehn Jahre ohne weiterlesen

Zuspruch von fast allen Seiten

Meine Reportage über die Übergabe von 150.000 Unterschriften unter die Petition zum § 219a StGB an Bundestagsabgeordnete durch Kristina Hänel, veröffentlicht in der Gießener Allgemeine Zeitung vom 13. Dezember 2017


„Ich bin Ärztin. Und ich helfe Frauen.“ Es sind diese zwei Sätze, die Kristina Hänel immer wieder sagt. Auch heute, als sie mehr als 150.000 Unterschriften an Bundestagsabgeordnete in Berlin überreicht und sich den Fragen der Journalistinnen und Journalisten stellt.

Es weht ein kalter, scharfer Wind vor dem Reichstagsgebäude. Eine 30 Meter hohe, mit Hunderten Lichtern geschmückte Tanne sorgt für etwas Wärme. Die Ärztin aus Gießen hatte eine Petition über die Kampagnen-Plattform Change.org gestartet, nachdem sie angezeigt wurde, weil sie auf ihrer Homepage informiert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbietet. Der § 219a StGB macht das möglich. Er verbietet Werbung für Abbrüche. Zuspruch von fast allen Seiten weiterlesen

§219a: das Selbstbestimmungsrecht auf freien Informationszugang/Interview

Aus: ANFNEWS, 4. Dezember 2017

Als Vorsitzende von Pro Familia Hamburg plädiert Kersten Artus für ein Selbstbestimmungsrecht auf freien Informationszugang und solidarisiert sich mit der Frauenärztin Kristina Hänel.

Die Frauenärztin Kristina Hänel wurde im November vom Landgericht Gießen zu einer Geldstrafe von insgesamt 6.000 Euro verurteilt. Mustafa Menge sprach für die Tageszeitung Yeni Özgür Politika mit Kerstin Artus, der Vorsitzenden von Pro Familia Hamburg. §219a: das Selbstbestimmungsrecht auf freien Informationszugang/Interview weiterlesen

Sexuelle Bildung und ein Recht auf Informationen für alle

pro familia Hamburg hat 16 Sprachmittlerinnen mit einer selbst konzipierten Veranstaltungsreihe fortgebildet. Ein bislang einzigartiges Projekt, das Erfolg hat.

Ein Bericht von Kersten Artus, Vorsitzende pro familia Hamburg


“Da unten” kann vieles bedeuten. Bei pro familia Hamburg wissen die Berater*innen und Sexualpädagog*innen allerdings meistens, was damit gemeint ist. Sie machen in ihren Beratungen und Veranstaltungen oft die Erfahrung, dass viele Menschen über bestimmte Körperregionen nicht sprechen können oder wollen, geschweige denn innere und äußere Geschlechtsorgane benennen oder zuordnen zu können. Eben die “da unten”.

Oft ist Scham ein Grund, Dinge nicht aussprechen zu können, um die es bei pro familia geht. Es kommt vor, dass Ratsuchende Begriffe gar nicht erst kennen. Nicht nur inhaltliche Begriffe sind bei Zeiten unbekannt; auch jene, die sich um das Angebot von pro familia Hamburg drehen. In manchen Sprachen gibt es den Begriff “Beratung” nicht. Es muss also erklärt werden, dass man sich da gegenübersitzt und nicht etwa einer Anweisung folgen muss. In vielen Teilen auf der Welt ist es nicht üblich, bei Problemen fremde Menschen aufzusuchen – dafür gibt es die Familie. Sexuelle Bildung und ein Recht auf Informationen für alle weiterlesen

Sexuelle und reproduktive Gesundheit für schwangere geflüchtete Frauen

Das Modellprojekt Fachdialognetz hat Mitte Juli 2017 seine Arbeit aufgenommen. Ein Bericht vom Hamburger Standort

Der Text wurde hier veröffentlicht

Seit 1. Mai arbeitet Kerstin Erl-Hegel für pro familia Hamburg. Davor war die 54-jährige Sozialarbeiterin im Jugendamt tätig, leitete 14 Jahre lang die Elternschule am Grindel. Über zwei Jahre wird sie ein Fachdialognetz entwickeln, das Fachleuten und ehrenamtlich Engagierten helfen soll, schwangere geflüchtete Frauen besser zu unterstützen. Sie baut zusammen mit sieben weiteren Fachkoordinator*innen – die an anderen pro-familia- Standorten bundesweit tätig sind – eine Datenbank auf, die Expertinnen und Experten sowie lokale Beratungsangebote und Einrichtungen mit ihren Kompetenzen listen wird.

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Gesund werden mit dem KOPP-Verlag?

Auf der Suche nach neuen Erkenntnissen, Teil 1

Ihre Gesundheit ist den meisten Menschen wichtig. Hätten sie drei Wünsche frei, würden sich 58% von der guten Fee Gesundheit wünschen, lautet das Ergebnis einer Umfrage. Schade, dass es die gute Fee nicht gibt. Sie würde den Wunsch nach Gesundheit nämlich auch kostenlos erfüllen. Schwuppdiwup und schon wäre es passiert.

Der Glaube an die gute Fee ist bei Erwachsenen nicht mehr ausgeprägt – und so geben sie eben Geld aus, damit sich der Wunsch nach Gesundheit erfüllt. Erst recht, wenn man von einer lebensbedrohlichen Krankheit heimgesucht wurde, etwa Krebs. Knapp eine halbe Million Krebsneuerkrankungen gibt es jedes Jahr. Dass eine Krebsdiagnose heute längst kein Todesurteil mehr bedeutet, ist bei vielen offenbar noch nicht angekommen. Dass der Anstieg an Krebserkrankungen vor allem an der insgesamt längeren Lebenserwartung und genaueren Diagnoseprogrammen liegt, ebenfalls nicht. Dass ein Drittel aller Krebserkrankungen auf persönliches Verhalten etwa wie Nahrungsaufnahme und Genussmittelkonsum (Rauchen/Alkohol) zurückzuführen ist, mögen manche auch nicht wahrhaben. Immer noch werden Krebs schicksalshafte Ursachen zugeschrieben. Oder charakterliche. Genauso sieht es bei den Heilungschancen aus. Die Folge ist: Mit Erkrankten lässt sich viel Geld verdienen – nur leider ohne dass sich die Erwartungen erfüllen. Gesund werden mit dem KOPP-Verlag? weiterlesen

Drogenpolitik – eine Genderperspektive

img_2403 Vortrag auf der Bundeskonferenz zur Drogenpolitik am 21./22. Oktober 2016 in Hamburg

„Schluss mit der Kriminalisierung – Drogenmärkte regulieren“ lautet das Motto dieser Konferenz. Ich möchte die mir zur Verfügung stehenden 20 Minuten daher dafür nutzen, auf eine spezielle, weitere Facette der Folgen von Repressionen aufmerksam zu machen, die sich aus den Regularien des Betäubungsmittelgesetzes ergeben und tief verwurzelt in unserer Gesellschaft sind. Ich wurde gebeten, mich nicht ausschließlich mit dem Thema Prostitution und Drogen zu beschäftigen. Drogenpolitik – eine Genderperspektive weiterlesen